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«Klangwelt Toggenburg» hat ein Instrument des Basler Künstlers Lukas Rohner durch einen Lattenzaun ersetzt – dieser ist empört.
Möglicherweise ist er der einzige Schweizer Künstler, der schon in drei verschiedenen Kunstsparten staatliche Förderung entgegennehmen konnte. Der Basler Lukas Rohner wirkt als Musiker, bildender Künstler und Schriftsteller. Er tritt als Klangperformer auf und entwirft «poetische Uhren». Besonders produktiv ist Rohner freilich als Instrumentenerfinder. Er selbst spricht von etwa 40 Neuerfindungen und wesentlichen Weiterentwicklungen bestehender Instrumente.
Beim beliebten Klangweg der «Klangwelt Toggenburg», der von der Alp Sellamatt in Alt St. Johann bis ins Oberdorf in Wildhaus führt, ist Lukas Rohner mit mehreren Klanginstallationen vertreten. Auf der Website der «Klangwelt Toggenburg» finden sich seine «Melodiengampfi», der «Flötenzaun» und das «Treibjagdhorn».
Eine vierte Installation, die Rohner im Jahr 2006 mit fachkundiger Hilfe des Toggenburger Zimmermanns Christian Ammann erbaut hat, trug den Namen «De loschtig Puurehag». Dabei handelte es sich um ein klingendes Brückengeländer an einer 8 Meter langen Holzbrücke. Hierfür hatte Rohner zirka 170 halbrunde Holzsprossen zweier Holzsorten (Robinie und Fichte) jeweils auf eine bestimmte Tonhöhe gestimmt.
Die Hölzer waren vom Klangkünstler so angeordnet, dass die Melodie des Toggenburger Volksliedes «Es chont en loschtige Puurebueb» erklang, wenn man mit einem Stock über die Hölzer fuhr. Der Text des Liedes war ausserdem silbenweise in die einzelnen Sprossen eingeschnitzt worden. Die Idee, unterschiedliche Holzsorten zu verwenden, hatte musikalische Gründe, wurde doch durch die unterschiedliche Härte der Hölzer die Melodie zusätzlich rhythmisiert.
Vor ungefähr vier Jahren sei Lukas Rohner telefonisch von einem Mitarbeiter von «Klangwelt Toggenburg» darauf hingewiesen worden, einige Sprossen der Installation seien nicht mehr in gutem Zustand. Hierauf habe der Basler Künstler einen persönlichen Augenschein vor Ort genommen. Seiner Ansicht nach seien insbesondere die Fichtenhölzer ein bisschen verwittert gewesen. Der Klang sei bei diesen mit den Jahren ein wenig dumpfer geworden. Doch insgesamt habe er den Eindruck gehabt, die Installation sei in einem akzeptablen Zustand. Rohner, der auch als professioneller Instrumentenstimmer arbeitet, habe anerboten, die Fichtenhölzer später bei Bedarf zu ersetzen, was seiner Schätzung nach zirka 3000 Franken gekostet hätte.
Diesen Frühling habe Rohner nun durch einen Zufall davon erfahren, dass sein Werk nicht mehr existiert. Im Jahr 2014 war «Der loschtig Puurehag» durch eine neue Installation ersetzt worden, die zwar die gleiche Werkidee hat, sich in der Umsetzung aber sehr klar vom Original unterscheidet.
Dass sein mit viel Handarbeit erstelltes Werk zerstört wurde, sei für Rohner natürlich sehr bedauerlich, dass er aber über den geplanten Abbau nicht informiert worden sei, empfindet er nicht nur als «moralisch bedenklich», sondern auch als klare «Urheberrechtsverletzung».
Für ihn, sagt Rohner, sei es äusserst schmerzhaft, dass die neue Klanginstallation weder ästhetisch, konzeptionell, künstlerisch, klanglich noch physikalisch eine ähnliche Qualität aufweise wie das Originalwerk. Man habe zum Beispiel auf Halbrundhölzer aus Robinie verzichtet und stattdessen eine kleinere Anzahl rechteckiger Lärchenlatten verwendet, die viel mehr Kratzgeräusch erzeugen, dafür deutlich weniger Schlagklang.
Erst nach mehreren Nachfragen habe er in Erfahrung bringen können, dass die neue Installation von der Intendantin von «Klangwelt Toggenburg», der bekannten Jodlerin Nadja Räss, persönlich gestaltet wurde.
Der Künstler bezeichnet ihr Vorgehen als Kunstfälschung und spricht von einer weiteren, klaren und krassen Urheberrechtsverletzung, weil diese neue Installation im Internet und in Prospekten weiterhin unter seinem Namen und mit dem Beschrieb der abgebrochenen Installation beworben worden sei.
Weder die erst kürzlich zurückgetretene Kuratorin Nadja Räss, welche die neue Installation konzipierte und ausführte, noch der Stiftungsratspräsident der Stiftung der «Klangwelt Toggenburg», Mathias Müller, noch Martin Klöti, St. Galler Regierungsrat und Vizepräsident des Stiftungsrats, hätten ihm gegenüber zu dieser Aussage jemals Stellung genommen. Sie seien auch nicht bereit gewesen, ihn zu einem Gespräch zu treffen oder auf seine Forderungen einzugehen.
Im Namen von Nadja Räss nahm Stiftungsratspräsident Matthias Müller nun gegenüber der Schweiz am Wochenende zu den Vorwürfen von Lukas Rohner Stellung. Der «morsche Zaun», so Müller, sei aus Sicherheitsgründen entfernt worden. Müller betätigt, dass der «neue Zaun» nicht mehr dem «ursprünglichen Zaun» entspreche und dass der Künstler «damals versehentlich nicht über diese Anpassung informiert worden» sei. Müller weist darauf hin, dass das Schild mit Rohners Namen nach dessen Meldung und auf dessen Wunsch umgehend entfernt worden sei.
Für den Präsidenten handelt es sich bei diesem Vorgehen nicht um eine Kunstfälschung, sondern um ein Versehen. Er schreibt auf Anfrage, ein Anspruch Rohners auf Entschädigung bestehe nicht. «Wir haben ihm aber eine freiwillige Umtriebsentschädigung zwischen 500 und 800 Franken angeboten.» Wenn der Künstler mit diesem Vorgehen nicht einverstanden sei, könne er natürlich den Rechtsweg beschreiten. Sie, also die Stiftung Klangwelt, hätten sich rechtlich abgesichert und die entsprechenden Unterlagen Herrn Rohner zugestellt.
Tatsächlich überlegt sich Lukas Rohner nun, gerichtlich gegen die Stiftung Klangwelt vorzugehen. Das Rechtsgutachten, das der Stiftungsrat in Auftrag gegeben hat, überzeugt ihn nicht: «Ich fordere die Beseitigung der Fälschung, eine klare, schriftliche Entschuldigung und eine angemessene Entschädigung für die Urheberrechtsverletzungen», sagt der Künstler gegenüber dieser Zeitung. Rohner beklagt sich: «Alle Verantwortlichen verstecken sich hinter einem parteiischen, juristischen Gutachten, das die unleugbaren Tatbestände zwar nicht verneint, aber auf abenteuerliche Weise zum Schluss kommt, ich hätte ‹kaum eine schwere seelische Unbill› erlitten; es sei hingegen Imageschaden für mich verhindert worden.»
Rohner hat eine sehr konkrete Vorstellung davon, wie die neue Installation «Die klingende Brücke» künftig beschildert werden sollte: «Dieses Werk ist eine unautorisierte Fälschung von Nadja Räss eines Werks von Lukas Rohner». Fast schon verzweifelt fügt er an: «Was gäbe es für einen internationalen Skandal, wenn der geschädigte Künstler Pablo Picasso hiesse, der Tatort das Kunstmuseum Basel und der Fälscher dessen Direktor wäre?»