Marder mögen keine Kunst

Unter dem Titel «Grenzenlos» zeigt der Kulturort Weiertal in Winterthur Werke von 24 Kunstschaffenden. Besonders reizvoll präsentiert sich der Aussenraum. Natur und Kultur gehen hier vielfältige Verbindung ein.

Martin Preisser
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Ein Marder hat inmitten einer Installation von Beate Frommelt ein Nest mit jungen Staren entdeckt (Bild: Kulturort Weiertal)

Ein Marder hat inmitten einer Installation von Beate Frommelt ein Nest mit jungen Staren entdeckt (Bild: Kulturort Weiertal)

Vielfältig sind die Kunstwerke der Natur ausgesetzt. Sie werden von Schnecken befallen. Eine Bodenarbeit aus Chromstahlbändern muss immer wieder freigemäht werden, Teile von Kunstwerken wachsen langsam in die Natur ein. «Grenzenlos» heisst die Ausstellung und zeigt Arbeiten in zwei Galerieräumen und im romantischen Park von Weiertal.

Diesen Kulturort gibt es als Kunstoase seit 2001. Rund fünfhundert Kunstschaffende haben seither hier ihre Arbeiten gezeigt Der St. Galler Künstler Josef Felix Müller bezeichnet den Ort bei Wülflingen als «geistige Erfrischungsoase». Er ist Zentralpräsident des Künstlerverbandes Visarte Schweiz. 24 Kunstschaffende hat Weiertal-Galeristin Maja von Meiss zusammen mit einer Jury dieses Mal aus den drei Visarte-Sektionen Basel, Graubünden und Liechtenstein für diese Zwischenausstellung zwischen den bekannten Weiertal-Biennalen ausgewählt.

Am spektakulärsten machte sich die Natur (vergeblich) Platz an der Arbeit «Nadelöhr» von Beate Frommelt. Für einen Marder, der auch einige der feinen Fäden der zwischen den Bäumen gespannten Installation zerriss, wurde das Kunstwerk zum unüberwindlichen Nadelöhr. Das Starennest, das ihn immer wieder anlockte, blieb dank der Kunst unversehrt. Mit «Nadelöhr» setzt Beate Frommelt poetisch feine Linien in den Aussenraum, grenzt ihn ab und definiert ihn neu mit der stofflichen Leichtigkeit eines ausgerollten roten Fadenknäuels. Die Arbeit steckt Grenzen und öffnet gleichzeitig den Raum.

Sich die Hände geben und Grenzen abbauen

Politisch wird die Sehnsucht nach Grenzen im Moment überall stark spürbar, auch als instinktiver Wunsch nach Sicherheit und Überschaubarkeit. Notta Caflisch reagiert darauf mit einer Installation aus Händepaaren. Sie erinnern auch an Friedenstauben und gemahnen bei allen Begrenzungen, Abgrenzungen und Ausgrenzungen vor allem daran, sich immer wieder auch die Hand zu geben und Grenzen abzubauen. Maja Thommen zeigt mit «Ich bin der Brunnen» eine Arbeit, mit der sie nicht nur an 600 Jahre Niklaus von der Flüe gedenkt, sondern eine fliessende Wasserbewegung mit einer abstrakten menschlichen Form verbindet. Die dreiteiligen Stelen symbolisieren einen stillen Übergang von der Kultur zu Natur. «Die blauen Elemente sind Visualisierungen von dem, was aus jedem von uns fliessen kann», sagt die Künstlerin.

"Ich bin der Brunnen" von Maja Thommen (Bilder: Martin Preisser)
4 Bilder
"Refuge Hope" von Notta Caflisch
"Nadelöhr" von Beate Frommelt
"Das Gewicht der Kultur" von Lilian Hasler

"Ich bin der Brunnen" von Maja Thommen (Bilder: Martin Preisser)

Die neue Weiertal-Ausstellung ist, ein Markenzeichen, wiederum mit viel Sorgfalt kuratiert. Die Zwischenbespielung kommt ohne öffentliche Gelder aus. Die Eintrittsgelder finanzieren die Kunstaktion, unzählige ehrenamtliche Stunden nicht mit eingerechnet. Gerne erwähnt man hierbei den Katalog zu «Grenzenlos», der mit anspruchsvollen Texten, aber auch mit Interviews mit den zwei Dutzend Kunstschaffenden dem Besucher einen intensiven, aber leichten Zugang zu moderner Kunst vermittelt.

Die Ausstellung, die von der klassischen Malerei über Skulptur bis zu ganz unterschiedlichen installativen Werken reicht, thematisiert auch die Fragen nach den Grenzen der Kunst selbst. Als Beispiel mag dafür Lilian Haslers «Das Gewicht der Kultur» stehen. Die Künstlerin hat einen Apfelbaum ausgehöhlt, ihn innen blau bemalt und lässt ihn nachts von innen ausleuchten. Natur und Kultur stossen direkt aufeinander. «Hier werden die Grenzen des Natürlichen und Kultürlichen mit den Mitteln der Kunst in einem dialektischen Prozess neu verhandelt», beschreibt die Künstlerin ihre Intention.

Hinweis

Bis 9.9.; Kulturort Weiertal, Winterthur; Mi-Sa: 14-18, So: 11-17 Uhr