Kunst und Politik als trautes Paar

Künstler unterstützen Paul Rechsteiner im Wahlkampf mit einer Postkartenserie. Was auf den ersten Blick ungewöhnlich erscheinen mag, hat in St. Gallen eine lange Tradition, wie ein Rückblick zeigt: Immer wieder unterstützten Kunstschaffende Wahl- und Abstimmungskämpfe.

Ralph Hug
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Kunstkarten für Paul Rechsteiner: Roman Signer, Brenda Osterwalder, Marianne Rinderknecht, Priska Oeler, Eva Kindlimann (v. l.). (Bild: Ralph Ribi)

Kunstkarten für Paul Rechsteiner: Roman Signer, Brenda Osterwalder, Marianne Rinderknecht, Priska Oeler, Eva Kindlimann (v. l.). (Bild: Ralph Ribi)

Mit einer Serie von Postkarten, die signiert zu kaufen sind (über die Homepage www.paulrechsteiner.ch), werben sechzehn St. Galler Künstlerinnen und Künstler für SP-Nationalrat Paul Rechsteiner, der diesmal auch für den Ständerat kandidiert. Darunter sind bekannte Namen wie Roman Signer, Josef Felix Müller, Alex Hanimann, Norbert Möslang und Peter Kamm, aber auch Vertreter der jüngeren Generation wie Georg Gatsas oder Beni Bischof. Sie stellten je ein Motiv für eine Postkarte zur Verfügung. Roman Signer etwa zeigt eine Skulptur mit Blitz und zwei Regenschirmen, die vor zwei Jahren in Paris zu sehen war, Peter Kamm eine neue Skulptur, die er dieses Jahr geschaffen hat.

Die Postkartenserie soll nicht nur die Unterstützung Rechsteiners durch Kulturschaffende zum Ausdruck bringen, sondern, so Alex Hanimann, auch ein Zeichen des Protests gegen die übermächtige Plakatwelle der SVP sein.

Hohe Zeit in den 1980er-Jahren

Ist es ungewöhnlich, dass sich Kunstschaffende für Politik engagieren? Nein, auch wenn die Zeiten expliziter Politkunst passé zu sein scheinen. Solidaritätsaktionen von Künstlern gab es in St. Gallen immer wieder, wie ein Rückblick zeigt.

So liessen sich Kunstschaffende im Jahr 2006 gegen die Verschärfung des Asyl- und Ausländerrechts motivieren. «Wir waren eine Kulturgruppe im Abstimmungskomitee und suchten Kunstschaffende, die uns unterstützten», erinnert sich Marina Widmer. Neben solchen, die jetzt auch für Paul Rechsteiner werben, engagierten sich bekannte Künstlerinnen wie Silvie Defraoui oder Marianne Rinderknecht. Es gab eine Postkartenserie und zudem auch noch eine Serie mit gerahmten Drucken, die verkauft wurden. Die Aktion diente der Publizität im Abstimmungskampf, aber auch dessen Finanzierung. Das St. Galler Solidaritätsnetz und der Antirassismustreff Cabi verfügten nur über geringe Mittel. Schon 1986 hatten sich Künstler aus St. Gallen gegen eine erste Verschärfung der Asylpraxis engagiert.

Die hohe Zeit politisch motivierter Kunstinterventionen waren die frühen 1980er-Jahre im Nachgang zur Jugendbewegung. Es waren gleichzeitig die Jahre der aufkeimenden Alternativkultur und des Einbruchs junger Kunst in den öffentlichen Raum. Kulturschaffende protestierten damals mit der Vereinigung «IG Kohle» gegen die einseitige Verteilung der städtischen Kulturgelder und forderten einen grösseren Anteil für die nichtetablierte Kultur ein.

Politische Weggefährten

Der Kampf um die Grabenhalle als neue Stätte der Alternativkultur war ein weiterer zeitgenössischer Brennpunkt. Zahlreiche Kunstschaffende engagierten sich 1983 in der Abstimmung, indem sie Holzschnitte für Plakatsujets entwarfen und für ein Ja warben. Es ist kein Zufall, dass etliche Künstler, die heute für Rechsteiner eintreten, schon damals aktiv waren. Sie sind politische Weggefährten aus derselben Generation.

Damals ein Tabubruch

Künstler wurden aber auch deshalb politisiert, weil sie in einer museumslosen Stadt leben mussten. Das Kunstmuseum war damals wegen Baufälligkeit geschlossen. Der Trogener Künstler Hans-Ruedi Fricker entwickelte eine subkulturelle Kleinplakatkunst. Viele der damals politisierten Kulturschaffenden machten in Oppositionsprojekten mit, etwa gegen die Südumfahrung. In Erinnerung ist ein Kleinplakat von Pascal Froidevaux, auf dem der bissige Slogan zu lesen war: «Schneller dort sein, aber nicht wissen warum – Hirnumfahrung Nein». Auch die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA) verstand es, Kunstschaffende für ein politisches Ziel zu gewinnen, das damals einem Tabubruch gleichkam. Für den Abstimmungskampf im Jahr 1989 steuerten St. Galler Künstler Plakate bei.

Bürgerliche Anliegen selten

Im Kampf gegen den Waffenplatz Neuchlen-Anschwilen, der vom Theatermacher Hansueli Trüb angeführt wurde, waren ebenfalls Kulturschaffende aktiv, insbesondere solche einer jüngeren Generation. Im Rückblick zeigt sich, dass sich Kunstschaffende für linke Kandidaten und kritische Anliegen begeistern lassen, während der Support durch Kunst auf der bürgerlichen Seite eher selten zu beobachten ist.

Plakat von Felix Kälin zur Asylgesetz-Abstimmung von 1986. (Bild: Urs Jaudas/Plakat aus Archiv Josef Felix Müller)

Plakat von Felix Kälin zur Asylgesetz-Abstimmung von 1986. (Bild: Urs Jaudas/Plakat aus Archiv Josef Felix Müller)