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Kultur
Die Videokünstlerin Susanne Hofer entschied sich ebenso wie ihre Kollegin Sonja Lippuner in Arbon, die Ausstellung in der Kunsthalle Wil trotz Lockdown aufzubauen und zu eröffnen – zumindest im virtuellen Raum.
Die Fenster der Kunsthalle Wil sind mit schwarzem Plastik abgeklebt. In diesem von der Aussenwelt abgeschirmten Raum hat die Videokünstlerin Susanne Hofer eine Woche in Isolation verbracht. Sie schlief auf einer Matratze am Boden und kochte auf einer Elektroplatte. Nicht, um sich vom Virus abzuschotten, sondern, um das Pendeln nach Zürich, ihrem Wohnort, zu vermeiden. Aber auch, um konzentriert ihre Installationen aufzubauen.
Denn trotz Lockdown hatte sich Hofer entschlossen, ihre Ausstellung «Spectacular Scenery» zu realisieren. Auch wenn vornherein klar war, dass man sie wohl nie fürs Publikum würde öffnen können. Die 49-Jährige sagt:
«Meine Kunst ist nicht verloren, auch wenn sie niemand zu Gesicht bekommt.»
Sonja Rüegg, die neue Leiterin der Kunsthalle Wil, weiss, was Hofer damit meint: «Die Kopfgeburt hatte bei ihr schon stattgefunden und es ist einfach furchtbar, wenn man genau dann ausgebremst wird, wenn es um die Umsetzung geht.» Ausserdem sei die Kunsthalle kein klassisches Museum, sondern verstehe sich als Experimentierraum für zeitgenössische Kunst: «Ich glaube, gerade in der Krise braucht es Kultur unbedingt», sagt Rüegg.
Die beiden Installationen, die Hofer speziell für Wil entwickelt hat, kann man im Rahmen eines virtuellen Rundgangs auf der Website der Kunsthalle besichtigen. Im Erdgeschoss ist «Outpost» zu sehen, eine Videoinstallation, die Ausblicke eröffnet und in diesen Zeiten der Isolation einen ungeahnten Aktualitätsbezug erhalten hat. Die Fensteröffnungen von Fort Tilden bei Long Island, New York, werden in den Raum projiziert. Man blickt auf Bäume und Sträucher, die sich sanft im Wind wiegen. Sand dringt in die zerfallende Festung aus dem Ersten Weltkrieg ein. Die Natur erobert sich den Raum zurück. Man ist drinnen und doch draussen – die Illusion ist perfekt.
Im oberen Geschoss breitet verführerisch schillernd eine Landschaft aus. Die Installation «Flunkern» besteht aus transparenten Plastikverpackungen, welche Hofer während zwei Jahren gesammelt hat. Scheinbar wertloser Abfall erhält durch ihre Inszenierung eine überraschende Anziehungskraft.
Ganz ähnliche Beweggründe wie in Wil führten auch in Arbon dazu, vor einer Woche Sonja Lippuners Ausstellung zu eröffnen, selbst angesichts des Risikos, dass sie nie öffentlich gezeigt werden kann. Die Raumgreifende Bodenarbeit «orten», die ganz vor Ort entstanden ist, war beim Lockdown schon beinahe fertig. Die 32-Jährige sagt:
«Ich war schon zu weit. Alles abzublasen wäre schlimm gewesen.»
Die in Hugelshofen aufgewachsene Künstlerin, die heute in Basel lebt, hatte sich seit Monaten mit dem Raum auseinandergesetzt und seit Februar in der Halle gearbeitet.
«Es wäre dramatisch und verantwortungslos gewesen, der Künstlerin zu diesem Zeitpunkt einen Stopp aufzuerlegen», sagt Deborah Keller, die Kuratorin der Kunsthalle. Sie sehe es als deren Aufgabe, jüngeres Kunstschaffen zu fördern und Experimente zu begleiten. Es sei Lippuners erste grössere Einzelausstellung und im Laufe des Projekts habe sie eine bedeutende Entwicklung in ihrem Schaffen vollzogen. Tatsächlich hat die gebürtige Thurgauerin noch nie eine derart grosse Arbeit realisiert. Als Malgrund dienten ihr fast drei Dutzend Rollen Untertapete, die sie mithilfe von Kleister miteinander verband.
Ausgehend von drei schwarzen, runden Flächen, welche die Künstlerin als Energie- oder Ballungspunkte bezeichnet, entwickelte sie ihre Bodenarbeit in einem performativen Prozess. Dazu gehörte, immer wieder den Überblick zu verlieren und sich neu im Raum zu verorten. Die Farbe trug sie mit einer an einer Teleskopstange befestigten Farbrolle auf.
Entstanden ist eine farbstarke, energiegeladene Installation, die einen selbstbewussten Dialog mit dem Raum eingeht. Sie kann als Fotoserie auf der Website der Kunsthalle und bald schon als Videorundgang erlebt werden. Sowohl bei der Kunsthalle Wil als auch bei der Kunsthalle Arbon hat man aber die Hoffnung nicht ganz aufgegeben, zumindest auf die Finissagen am 10. Mai hin die Ausstellungen doch noch einem kleinen Publikum zugänglich zu machen.