Der Berliner Kleinkünstler Marc-Uwe Kling hat mit «Die Känguru-Offenbarung» sein drittes (Hör-)Buch veröffentlicht. Ein Werk voll Selbstironie, Gesellschaftskritik und exquisitem Humor.
Trilogien sind Trend. Fantasy ebenfalls. Und wenn sich ein Buch verkaufen will, dann sind Weltumrundungen, epische Schlachten zwischen Gut und Böse und romantische Liebschaften beinahe Pflicht. Zumindest meint dies der namenlose Lektor von Marc-Uwe Kling, der in der «Känguru-Offenbarung» oft zu Wort kommt – in den zahlreichen Fussnoten im Buch, und auch als sprechender Charakter. Und das neuste Werk von Kling scheint sich seine Empfehlungen zu Herzen zu nehmen.
Der deutsche Kleinkünstler, Liedermacher und Kabarettist Marc-Uwe Kling wohnt mit einem kommunistischen Känguru zusammen, mitten im Berliner Trend- und (ehemaligen) Arbeiterviertel Kreuzberg. So weit die Story der Podcasts, mit denen Kling 2010 den Deutschen Radiopreis erhalten hat. Am 10. März ist nun der letzte Teil der Buch-Trilogie um das Känguru erschienen: Die Känguru-Offenbarung – Geschichten um Kling und seinen fiktiven Mitbewohner, voller Running Gags und Selbstironie.
«Ich habe ein Manifest verfasst, voller Witz und Weisheit», empört sich der Erzähler im Buch, als nicht er, sondern eine Gruppe Waisenkinder einen Buchpreis erhalten. «Ein Buch voll Tucholsky'schem Witz, voll Orwell'scher Weitsicht, voll Beckett'scher Radikalität.» – «Und voll Goethe'scher Bescheidenheit», ergänzt das Känguru, das gerne und viel spricht. Ein kurzer Ausschnitt, der das Buch (trotz den grossen Namen) treffend zusammenfasst.
Denn die «Känguru-Offenbarung» steckt wie seine Vorgänger voller Anspielungen auf die Pop- sowie die restliche Kultur. Von Goethe bis Tocotronic, von Rammstein bis zur Roten Armee Fraktion werden Geschichte und Kultur des deutschsprachigen Raumes aufgerollt. Wer die Anspielungen versteht, hat was zu lachen – und die anderen lernen vielleicht noch etwas dazu.
Klings Erzählungen vom Känguru bieten neben urkomischem Kabarett auch clevere Gesellschaftskritik. Die «Unsichtbare Hand des Marktes» kollabiert mit Saturn-Slogans, und Karl Marx wird so fleissig zitiert wie Kurt Cobain. Talkshow-Experten wiederholen fleissig ihr Mantra (Wir leben über unsere Sachzwänge!) und die populäre Romanreihe «Die Wanderhure» des Autoren-Duos Iny Lorentz kriegt Seitenhieb nach Seitenhieb ab – obwohl sich «Die Känguru-Offenbarung» einige Stilmittel derselben ausleiht. Zum Beispiel die epische Schlacht zwischen dem Guten und dem Bösen. Das Känguru ist versessen auf Fantasy-Romane, der Lektor im Buch ebenfalls – Kling als Erzähler hingegen hasst sie. Und wenn sich die Story gegen Ende hin mehr und mehr einem Fantasy-Roman nähert, kann der Erzähler nicht anders, als sich darüber aufzuregen. Den Lektor hingegen freut's – und die Leser und Hörer freuen sich über die cleveren Anspielungen auf das Werk, welches sie gerade hören. Dieses Überspielen der Grenzen zwischen Erzähler und Geschichte ist typisch für die Känguru-Reihe.
Zahlreiche Fussnoten verstecken sich zwischen den Buchklappen. Oft sind dies Anmerkungen des Kängurus oder des Lektors, die beide nicht ganz mit dem Gedruckten zufrieden sind. Selbst ganze Debatten über politische Sachverhalte können in den Fussnoten stattfinden.
Klings Stärke liegt im Überwinden von Grenzen. Nicht nur zwischen Erzähler und Geschichte, auch zwischen Komik und Kritik und zwischen philosophischen Fragmenten und frivolem Pop. Denn nach dem Lesen, wahlweise auch Hören der «Känguru-Offenbarung» hat man nicht nur schallend gelacht – sondern hinterfragt auch die Moral des eigenen Alltag.
Marc-Uwe Kling: Die Känguru-Offenbarung. Ullstein 2014, 400 S., Fr. 13.90. Als Hörbuch für ca. Fr. 13.– herunterladen unter: www.ullsteinbuchverlage.de