Walter Bosshard inszenierte mit seinen Fotos Kriegswirklichkeit in China der Dreissigerjahre. Die Fotostiftung Winterthur zeigt sie unter dem Titel «Walter Bosshard/Robert Capa: Wettlauf um China».
Robert Capas fallender Soldat ist eine Ikone des 20. Jahrhunderts. Das 1936 publizierte, inzwischen kritisch diskutierte Bild aus der Zeit des Spanischen Bürgerkriegs machte den Fotografen weltberühmt. Der Name des Schweizer Fotojournalisten Walter Bosshard dagegen dürfte nur noch wenigen geläufig sein.
Die reich bestückte Ausstellung im Fotomuseum Winterthur würdigt Bosshards Leistungen als Fotograf und Journalist. Die Arbeiten der beiden werden einander gegenübergestellt. Mit dem Amerikaner Capa verband den Schweizer eine Freundschaft, trotz der beruflichen Rivalität. Bosshard war der erste Schweizer Fotojournalist, der mit seinen Arbeiten international berühmt wurde – dies auch deshalb, weil er seinen Rivalen im «Wettlauf um China» ausstechen konnte. Dennoch gibt es Verbindendes. Beide fanden Schlüsselszenen in den Kriegswirren Chinas, die sowohl Information transportieren wie auch Angst und Leid der Zivilbevölkerung während der Bombardierung und Besatzung durch Japan vergegenwärtigen.
Bosshard gilt heute als einer der Pioniere des modernen Fotojournalismus. Kaum einer hat wie er die epochalen Veränderungen Asiens dokumentiert – verdichtet in Porträts von Mahatma Gandhi, Mao Zedong oder in Reportagen über den kargen Alltag der Menschen in der tiefsten Mongolei. 1933 siedelte Bosshard nach Bejing über und avancierte zu einem der gefragtesten Asien-Korrespondenten. Er publizierte in der deutschen Presse, wandte sich nach der Gleichschaltung der deutschen Medien durch die Nazis amerikanischen und englischen Zeitschriften zu. 1939 wurde er Korrespondent der «Neuen Zürcher Zeitung».
Bosshard verfolgte raffinierte Erzählstrategien, belichtete doppelt oder führte aktiv Regie, um die Zustände in China «realistisch» zu illustrieren. Seine Reportage «The Life of a Chinese Guerilla» von 1938 inszeniert die Laufbahn eines Bauern, der zum Guerilla und Helden wird: Auf 17 Fotos verdichtet er den Abwehrkampf Chinas gegen Japan zur eingängigen Erzählung. Den Höhepunkt bildet die Verwundung: Das Bild zeigt den stürzenden Mann in ähnlicher Haltung wie Robert Capas fallenden Milizionär.
Ein zentrales Thema der Ausstellung ist der «Wettlauf» der beiden Fotojournalisten um ein Exklusivinterview mit dem Führer der Kommunisten Mao Zedong. Dieser hatte sich nach dem «Langen Marsch» in Höhlensystemen der «Roten Hauptstadt» Yan’an festgesetzt. Gespannt wartete die westliche Welt auf Neuigkeiten aus der entlegenen Region, denn noch war nicht klar, welche Rolle die Kommunisten für die Zukunft des Landes spielen sollten.
Dem bestens vernetzten Bosshard gelang der Coup: Als erster führte er mit Mao ein Interview. Daneben hielt er den kargen und von harter militärischer Disziplin geprägten Alltag der Guerilla fest. Die Zeitschrift «Life» und die «Neue Zürcher Zeitung» veröffentlichten die Reportage. Capa anerkannte den «Sieg» – und reiste in die USA zurück. Im Katalog zur Ausstellung würdigt Kurator Peter Pfrunder die Leistung des Schweizers und lässt ihn postum zu Wort kommen. Dabei beeindruckt Bosshard mit Weitsicht: «Jedes Mal, nachdem ich China verlassen hatte und dieses Reich von aussen betrachtete, wurde mir klar, dass in diesem Volk eine Energie steckt, die uns im alten Europa eines Tages gefährlich werden wird.»
Wettlauf um China, Fotostiftung Winterthur, bis 10. Februar 2019.