Provokatives Theaterstück in St.Gallen: Konfetti zum feierlichen Suizid

Das Theater St. Gallen packt das Thema Sterbehilfe an. In «Sterben helfen» ist der selbstbestimmte Tod makabres Gebot, das natürliche Leiden gesellschaftlich verpönt: Ein provokativer Perspektivenwechsel. Am 4. April ist Premiere.

Hansruedi Kugler
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Dramatiker Konstantin Küspert. (Bild: Birgit Hupfeld)

Dramatiker Konstantin Küspert. (Bild: Birgit Hupfeld)

An der Uraufführung 2016 flogen in Karlsruhe rosa Konfetti zum feierlichen Suizid: Freunde und Verwandte hat die alte Dame eingeladen, sie schaut in einer schönen Rede auf ihr Leben zurück, dann ein paar Atemzüge aus dem Giftinhalator und ab ins Krematorium. So geht das in Konstantin Küsperts heiter-makabrem Stück «Sterben helfen». Ein Abschied wie im dystopischen Science-Fiction-Kino. Das Theaterstück aber «pervertiert die Diskussion über selbstbestimmtes Sterben», schreibt das Theater St. Gallen. Und deutet da schon darauf hin, dass hier Kunst mit den stilistischen Mitteln des Makabren ins Herz einer zeitgenössischen Thematik sticht: Sterbehilfe.

Selbstbestimmtes Leiden macht sie zur Aussenseiterin

Erzählt wird von einer Gesellschaft, in welcher das selbstbestimmte Sterben die Norm ist. Dass dies nicht ganz ohne sozialen Zwang geschieht, wird schnell klar: Als Lucy vom unheilbaren Krebs erfährt und beschliesst, auf natürliche Weise zu sterben, steht sie auf verlorenem Posten. Denn das Gebot lautet: Sobald jemand die Diagnose «unheilbar» erhält, soll er das Sterben von eigener Hand geradezu zelebrieren – als feierliches Opfer an die Gesellschaft und zur Entlastung der Krankenkassen.

Plädoyer für die eigenen Gefühle

Es ist also ein radikaler, makabrer Perspektivenwechsel, den das Stück bietet. Denn mal kurz den Giftinhalator nicht korrekt im Wohnzimmer verschlossen, benutzt ihn das grad etwas traurige 15-jährige Töchterchen. Und stellt uns die unheimliche Frage, wie oft man sich selbst schon ins Jenseits befördert hätte, wenn es so einfach wäre. Eine Anekdote muss noch erzählt werden: Autor Küspert verpasste die Uraufführung in Karlsruhe, weil er keine 24 Stunden zuvor Vater geworden war. Die Kritikerin Elske Brault schrieb damals treffend dazu: «Mit einer schöneren Geste hätte Küspert wohl kaum sein Plädoyer unterstreichen können, dass jeder von uns die eigene Gefühlshoheit dem jeweiligen Betrieb entgegensetzen sollte: Bei der Arbeit, im Spital und im Theater.»

Premiere Do, 4.4, 20 Uhr, Theater St. Gallen, Lokremise. Matinée: So, 31.3., 11 Uhr, Lokremise.