KINO: Mit Köpfchen und Muskeln

Der neue «Tomb Raider»-Film zeigt die Vorgeschichte zu den zwei kultigen Lara-Croft- Filmen mit Angelina Jolie. Die Rolle der kämpferischen Protagonistin gehört diesmal Alicia Vikander.

Irene Genhart
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Irene Genhart

In der ersten Szene lässt sie sich vermöbeln, steht im Ring und gibt auch dann nicht auf, als klar ist, dass sie keine Chance hat. Lara, Nachname Croft, ist hart im Nehmen. Sie ist zudem starrköpfig, hartnäckig und, zumindest am Anfang von «Tomb Raider», wenn sie ihrem Trainer auch schon mal einen Apfel stibitzt, ein bisschen keck und frech. In der nächsten Szene saust sie als Velokurierin durch Londons Strassen und Gässchen. Sie flirtet kurz mit einem Koch – und flitzt weiter.

Die angedeutete Lovestory verliert sich wieder: Lara Croft, 1994 als Protagonistin des Videospiels «Tomb Raider» erfunden, diverse Male bereits auf Leinwand anzutreffen, hat 2018 weder Zeit für die Liebe noch für etwelche Eitelkeiten. Sie trägt meist Tank-Top und Hose, hat oft einen Rucksack dabei und braucht dringend Geld, um ihre Schulden zu begleichen. Sie macht mit bei einem illegalen Velorennen, einer sogenannten «Fuchsjagd», landet auf einem Polizeiauto und im Gefängnis. Das bringt ihre Vormundin Ana Miller (Kristin Scott Thomas) ins Spiel und Licht in Laras Vergangenheit. Sie stammt aus gutem Haus. Ihre Mutter starb früh. Ihr Vater, Lord Richard Croft (Dominic West), ein angesehener Firmenchef und leidenschaftlicher Hobby-Archäologe, ist vor sieben Jahren von einer Expedition zum Grab der Sonnenkönigin Himiko auf der sagenumwobenen Insel Yamatai nicht zurückgekehrt.

Alicia Vikander spielt sehr bodenständig

Lara könnte nun ihren Vater tot erklären lassen und sein Erbe antreten. «It’s in your blood», sagt Miller, und man weiss nicht genau, was sie damit meint: ein Flair für die Archäologie, die Firmenchefin, die Besessenheit, mit der Croft zu verhindern versucht, dass Himikos – in ihres Vaters Augen verfluchtes – Grab geöffnet wird. Wie dem auch sei: Ein Automatendöschen, eine Fotografie von Vater, ein Schlüssel und ein Rätsel bringen Lara in Fahrt. Ab nach Hongkong führt der Trip, in Begleitung eines gewissen Lu Ren (Daniel Wu) weiter nach Yamatai, wo Lara, um ihr Leben zu retten, erstmals einen Menschen umbringt.

Viel Action gibt es in «Tomb Raider». Heisser als die Fuchsjagd in London ist dann eine Verfolgungsjagd im Hafen von Hongkong, bei der Lara drei Männer abhängt. Und das ist auch nur Vorbereitung für das, was – zum Teil atemraubend – danach auf der Insel Yamatai geschieht.

Alicia Vikander spielt Lara Croft sehr körperlich und bodenständig. Ihre Lara Croft ist keine Superheldin mit besonderen Fähigkeiten, auch keine Super- woman, sondern eine bisweilen kindlich-junge Frau, die auf der Suche nach ihrem Vater und im Ringen mit sich selber ihre körperlichen Fertigkeiten entdeckt und ihr Köpfchen zu gebrauchen lernt. Sie wirkt dabei sehr sympathisch, auch – oder umso mehr –, wenn sie sich zwischendurch ungeschickt anstellt oder auch mal zusammenbricht und weint.

Weil dem so ist, sieht man auch gern darüber hinweg, dass der vom Norweger Roar Uthaug verantwortete «Tomb Raider», der eine Vorgeschichte zu den zwei Lara-Croft-Filmen mit Angelina Jolie erzählt, in der Story hinkt und unschöne Löcher hat. Vielleicht werden diese gestopft im nächsten «Tomb Raider»-Film, dessen möglicher Aufhänger in den letzten Szenen hier bereits geliefert wird. Dann wird sich auch zeigen, ob die neue Lara Croft eine dreiste Grab- räuberin oder smarte Archäologin ist.