Gepflegte Langeweile verspricht Jan Rutishauser mit seinem neuen Programm. Zum Glück setzt er die Drohung nicht wörtlich um: Der Abend mit ihm ist nie langweilig und nicht immer gepflegt.
Wer viel redet, hat meist nicht viel zu sagen: eine Weisheit, die einem nicht nur vor dem Fernseher geradezu gewaltsam eingeflösst wird. Jan Rutishauser, der aus Güttingen stammende Kabarettist, der mit «Gepflegte Langeweile» nun sein zweites abendfüllendes Programm vorlegt, weiss das. Und weil er etwas zu sagen hat, kommen seine Botschaften kurz und knackig daher, verpackt in manchmal zwei, manchmal vier Textzeilen, gerne auch kondensiert in einem einzigen Wort. Seine «defekten Liebeslieder» oder auch seine Tiergedichte singen im wörtlichen Sinn das Hohelied der Knappheit und präsentieren dem Publikum die Pointe bereits nach wenigen Worten.
Es ist ein anspruchsvolles Tempo, das der gerade 30 Jahre alt gewordene Kabarettist – ein haariges Thema auch für ihn selbst! – seinem Publikum abverlangt. Unaufmerksamkeit oder eben Langeweile während der Vorstellung wird mit dem gnadenlosen Verpassen von Pointen sofort bestraft. Denn was Jan Rutishauser auf der Bühne scheinbar locker und ein wenig sprunghaft erzählt, ist in Tat und Wahrheit perfekt durchorchestriert. Da kann auch mal ein einzelnes Wort, das sich unscheinbar in einer Liedzeile versteckt, Bezug nehmen auf einen Satz, den er fünf Minuten vorher gesagt hat, und so den Aufmerksamen auf den Rängen ein zusätzliches Lachen schenken.
Der Quell seiner Lieder, Gedichte und Texte liegt dabei in seinem eigenen Alltag, dem als Künstler, als Single, als Mensch, was nicht nur das Programm, sondern auch ihn selbst für das Publikum besonders greifbar macht. Das ist keiner, der sich in humoristischer Weise dem Elend der Welt philosophisch nähert oder die Niederungen der Politik mit spitzer Zunge ausleuchtet, es ist vielmehr einer, der über sich selber lacht. Über die Situation vor dem Spiegel, die Qual der Konversation beim Coiffeur oder die vieldeutige Interpretation seines ersten Hexenschusses.
Überhaupt sind mehrdeutige Wortspiele ein fixer Bestandteil seines Programms, da darf dann auch mal das gepflegte Niveau verlassen und ein kurzer Abstecher unter die Gürtellinie gewagt werden; Rutishauser schafft es jedoch, diese kleinen Ausflüge so schelmisch und gespielt schüchtern vorzubringen, dass ihnen das Plumpe genommen wird, das zotigen Sprüchen ja gerne etwas anhaftet. Allerdings wird dem Programm nicht gerecht, wer es auf seine Pointen und seine Wortspiele reduziert. Rutishauser, der Wert darauf legt, Kabarett und eben nicht «nur» Comedy zu machen, erzählt mit der Geschichte von der Schreibblockade, die ihn monatelang heimsuchte, ihn lähmte und jeder Kreativität beraubte, auch die Geschichte unseres hektischen, leistungsorientierten Alltags. Hier findet das Programm nach dem hektischen Ritt durch Rutishausers Geschichten, Gedichte und Lieder zu seinem Titel und damit zu seiner Botschaft. Rutishauser räumt der gepflegten Langeweile den prominenten Platz am Schluss des Programms ein, schickt das Publikum nicht mit seinem besten Wortspiel, sondern mit einer auch sprachlich viel ruhiger präsentierten Einsicht auf den Heimweg. Ideen brauchen Zeit und Raum, um sich entfalten und entwickeln zu können, wer sich von morgens bis abends pausenlos mit Input versorgt, ist zwar sehr beschäftigt, kommt aber nicht dazu, etwas zu erschaffen.
Jan Rutishauser hat Letzteres geschafft. Er hat sich täglich drei Stunden gepflegte Langeweile verordnet und so zu kreativem Schaffen gefunden. Zur grossen Freude des Publikums, das den Kabarettisten an der Premiere im ausverkauften Theater an der Grenze in Kreuzlingen warm empfing und ihn mehr als einmal selber zum Lachen brachte. Sein Programm «Gepflegte Langeweile» ist ein sehenswertes Stück Kabarettkunst, mit viel Wortwitz und jenem Schuss Nachdenklichkeit, das dem Humor Bodenhaftung verleiht und verhindert, dass er ins Seichte abdriftet. Oder um es gleich in seinen eigenen Worten zu formulieren: Er ist smart auch ohne Phone. (ssc)