Pop-Legende
Jackson-Fan über kontroverse Doku: «Michael und sein Name werden in den Schmutz gezogen»

US-Superstar Michael Jackson wird erneut mit Pädophilie-Vorwürfen in Verbindung gebracht. In einer Dokumentation belasten ihn zwei angebliche Opfer. Die Beweislage ist aber alles andere als eindeutig. Kritisch zeigt sich auch der im Kanton Thurgau aufgewachsene Ueli Meier. Der 34-Jährige ist Mitgründer des Schweizer Michael-Jackson-Fanclub.

Alexandra Pavlovic
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Ueli Meier, Mitbegründer des Schweizer Michael-Jackson-Fanclubs, zweifelt an der Richtigkeit der Dokumentation.

Ueli Meier, Mitbegründer des Schweizer Michael-Jackson-Fanclubs, zweifelt an der Richtigkeit der Dokumentation.

Montage_CH Media

Seit Ausstrahlung der Doku «Leaving Neverland» flammen die Gerüchte um Michael Jackson und den mutmasslichen Missbrauch von Kindern erneut auf. Gab es darauf Reaktionen in Ihrem Fanclub?

Ueli Meier: Ja. Aber die Gerüchte sind bei uns schon seit vielen Jahren Thema und nicht erst seit die Ankläger aus der Dokumentation ihre Millionen-Klagen einreichten.

Welche Reaktionen gab es?

Viele sind natürlich enttäuscht, dass Jackson und sein Name nun erneut in den Schmutz gezogen werden. Viele zweifeln an der Richtigkeit der Dokumentation, es gibt einfach zu viele Indizien, die gegen die beiden Protagonisten sprechen. Des Weiteren sind wir als Fans enttäuscht, dass die grossen Medien sehr unkritisch darüber berichten und die Aussagen gewisser Trittbrettfahrer einfach weiterverbreiten. Einige Medien fressen den Filmemachern regelrecht aus der Hand, anstatt genauer hinzuschauen.

Wie empfinden Fans einen solchen Film über ihren Star – was geht ihnen durch den Kopf?

So einiges. Da die Fanpalette doch sehr breit ist, kann ich nicht für alle sprechen. Es gibt Fans, die erschüttert eine solche Doku nicht, die halten auch weiterhin am heilen Bild von Michael Jackson fest. Andere hingegen, zu denen ich mich auch selbst zähle, hinterfragen nach jeder Veröffentlichung bewusst die eigene Meinung. Ist das eigene Denken über den Star so noch richtig, oder liegt man vielleicht nicht doch falsch? In erster Linie ist man aber sicher enttäuscht, dass wieder negativ über den Star berichtet wird und man auf uns Fans wieder mit dem Finger zeigt, als wären wir Spinner, weil wir ihn verteidigen.

Es ist nicht das erste Mal, dass Michael Jackson mit Pädophilie-Vorwürfen in Verbindung gebracht wird. Viele finden: Wo Rauch ist, ist auch Feuer. Was entgegnen Sie?

Ich verstehe dieses Argument vollkommen. Für Laien oder uninformierte Leute wirken die Dokumentation und auch die Vorwürfe der beiden männlichen Opfer glaubwürdig. Mir würde es nicht anders gehen. Dennoch muss man genauer hinschauen.

Was heisst das?

Klar war Jacksons Verhältnis zu Kindern nicht normal, und es ist auch gut, dass man da genauer hinschaut. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass ihm zu Lebzeiten weder von der Polizei noch vom FBI etwas nachgewiesen werden konnte. Dass die beiden Opfer schon seit längerem gegen die Nachlassverwalter Jacksons auf Schadenersatz klagen, obwohl sie ihn zuvor sogar unter Eid verteidigt hatten, wissen die wenigsten. Wir sprechen hier von mehreren hundert Millionen Dollar. Und bei einer solchen Summe dürfte jedem klar werden, dass der öffentliche Druck auf das Gericht mit einer medialen Publikation erhöht wird, damit ein zuständiger Richter die Klage doch noch durchgehen lässt. Wieso der Regisseur behauptet, bei der Dokumentation «Leaving Neverland» gehe es den Protagonisten nicht um Geld, ist unlogisch und unklar.

Für Aussenstehende ist es schwierig zu beurteilen, was nun wahr ist und was nicht. Jacksons Nachlassverwalter haben den Sender HBO vor der Ausstrahlung der Dokumentation wegen Verunglimpfung verklagt und wollen nun sogar eine Gegendarstellung veröffentlichen. Lässt das die Zweifel bei den Leuten nicht noch grösser werden?

Eine Gegendarstellung würde in jedem Fall Sinn machen, und ich würde es auch wichtig finden, dass eine Reaktion kommt. Nicht nur für uns Fans, sondern auch für alle Zweifler. Denn ich weiss, dass es genügend Fakten und Beweise gibt, welche die Argumente der beiden Opfer nicht mehr so glaubwürdig aussehen lassen würden. Allerdings bleibt bei einer Gegendarstellung die Frage, ob die Medien diese überhaupt beachten würden. Ich wage das zu bezweifeln.

Die Dokumentation hat auch dazu geführt, dass einige Radiosender die Jackson-Songs nicht mehr spielen. Eine angemessene Reaktion?

Nein. Ich finde, man sollte Kunst und Privatperson voneinander trennen. Denn bis heute kann man Michael Jackson keine der angeblichen Taten nachweisen. Personen, die Jacksons Musik lieben und ihn auch zu Lebzeiten gut gefunden haben, werde seine Lieder auch weiterhin hören. Schliesslich haben seine musikalischen Werke nichts mit den derzeitigen Geschehnissen zu tun.

Mehrere europäische Fanclubs haben für Mittwoch zu einer Demonstration vor dem Londoner Channel-4-Büro aufgerufen. Dieser hat den Film co-finanziert. Was halten Sie davon? Wäre so etwas auch in der Schweiz denkbar?

Da bin ich geteilter Meinung. Der Film erhält so noch mehr unnötige Aufmerksamkeit. Sollte «Leaving Neverland» auch in der Schweiz ausgestrahlt werden, dürfte eine Demo-Aktion aber sicher Thema unter den Fans werden.

Jackson Songs: Noch kein Boykott bei Schweizer Radiosendern

Bei den Radiosendern von CH Media (Radio 24, Radio Argovia, Radio FM1, Radio Melody, Radio Pilatus, und Virgin Radio Switzerland) werden Michael Jacksons Songs im Repertoire der Klassiker gespielt. Bei den Hörerinnen und Hörern kämen die Lieder sehr gut an, viele schätzten das musikalische Werk des Amerikaners, man spiele Jacksons Lieder in regelmässigen Abständen, wie Radioprogrammleiter Sacha Gamper auf Nachfrage sagt.

Auch die Radiosender verfolgen die Entwicklungen rund um die TV-Dokumentation genau. Und auch die Boykotte einiger ausländischer Radiosender sind Thema in den Sitzungen. «Ein Verzicht auf die Songs von Michael Jackson kommt für uns momentan jedoch nicht in Frage», sagt Gamper. Dies unter anderem, da die Situation in der Schweiz derzeit nicht dieselbe sei wie im Ausland. Da die Dokumentation im deutschsprachigen Raum noch nicht ausgestrahlt wurde, vermutet Gamper, dürften sich noch nicht so viele Personen damit befasst haben. «Wir haben bisher noch keine negativen Rückmeldungen erhalten.»

Der Radioprogrammleiter betont, dass man den Fall jedoch weiterhin im Auge behalten werde und laufend entscheide. «Wir sind in der Regel sehr vorsichtig und beurteilen die Lage zuerst im Team, bevor wir etwas entscheiden. Massnahmen wie Lieder-Boykotte würden wir erst bei eindeutigen Verurteilungen in Betracht ziehen. Im Fall von Michael Jackson ist nichts bewiesen, vorerst sind es erneut nur Mutmassungen.»

Trotzdem: Für Radiosender sind negative Schlagzeilen über Musiker nie einfach. «Wir dürfen aber nicht gleich alles überbewerten, sondern müssen die Lage stets im Ganzen betrachten und bei neuen Entwicklungen reagieren», ergänzt Gamper. Dasselbe gilt etwa auch im aktuellen Fall von US-Sänger R. Kelly. Der Amerikaner ist derzeit wegen Missbrauchsvorwürfen in den Medien. «Auch hier schauen wir den Fall genau an. Gibt es Reaktionen? Welche Informationen gelten als sicher? Was ist bewiesen? Und so weiter. Erst dann entscheiden wir, was wir mit den musikalischen Werken der Künstler machen.» (lex)