Kino
Jackie Kennedy: Kultiviert, schön, reich – und unglücklich

Jackie Kennedy, die ehemalige «First Lady», war weit mehr als bloss eine «Stilikone» – das zeigt ein neuer Kinofilm, vor allem aber ihr Leben selbst.

Max Dohner
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Auch im Zentrum der Macht blieb sie eine Liebhaberin und Förderin der Literatur: Jacqueline Kennedy 1961.RDA/KEYSTONE

Auch im Zentrum der Macht blieb sie eine Liebhaberin und Förderin der Literatur: Jacqueline Kennedy 1961.RDA/KEYSTONE

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Das Niederträchtigste war wohl das «O». Fortan hiess sie in den Medien nur noch Jackie O. Schuld an der Verkürzung von Jackie Onassis auf Jackie O. war – wie so oft in moderner Zeit – eine Verbindung von schamloser Publicity und Schlüpfrigkeit. Ein Schakal namens Settimio Garritano, ein Paparazzo, hatte Jackie aufgelauert mit der grossen Röhre und sie prompt erwischt: nackt beim Sonnenbad auf der Insel Skorpios.

Der «Hustler», der «Playboy» für Lastwagenfahrer, kaufte die Fotos und veröffentlichte sie. Im gleichen Jahr (1975) kam ein Erotikklassiker in die Kinos: «Die Geschichte der O.» von Just Jaeckin. Zufälle, um daraus eine Buchstabensymbolik zu schmieden wie ein Halseisen – Jackie O. Es drohte für Jahre das Leben zu ersticken dieser intelligenten, belesenen und kultivierten, meist aber unglücklichen Frau.

Und die üble Nachrede dauerte an, über ihren Tod im Mai 1994 hinaus. Noch zwanzig Jahre später wärmte «Bild» eine fade Gerüchtesuppe auf um Jackie Kennedy. Unter haarsträubender Verdrängung der Tatsache, dass krank und sexbesessen nur einer war im Weissen Haus – John F. Kennedy, genannt «Jack», Jackies erster Mann.

Eiskalte Quickies

Die gleiche «Bild» hatte Jacqueline noch eine «Heilige» genannt, die Amerika verloren habe, als Jackie den Trophäen-Casanova Aristoteles Onassis heiratete. Er hatte mindestens zwei Frauen vor ihr zerstört: Die erste, Athina Livanos, starb 1974 an einer Überdosis Drogen in Paris, vermutlich durch Selbstmord.

Auch die zweite starb in Paris, 1977, Maria Callas, mit 53 Jahren. Auf Callas’ Wunsch wurde ihre Asche vor der Insel Skorpios verstreut.

Beide Männer – Kennedy und Onassis – mehrten Jacquelines Unglück, Fama und Schatulle, jeder unterschiedlich. Beider Namen trägt sie auch, zusammen mit ihrem Mädchennamen, in Arlingtons Gruft unterm Stein: Jacqueline Bouvier Kennedy Onassis (1929–1994).

Der eine, Kennedy, war der jüngste Präsident der USA, tablettensüchtig und schmerzensreich. Er nannte die Gattin «Kindchen» und betrog sie am laufenden Band, was alle wussten, in eiskalter Quickie-Manier, sogar bei Marilyn Monroe. Der Grieche, 23 Jahre älter, verglich Jackie mit einem «Supertanker», weil sie beim Shoppen so viel ausgab, wie ein Schiff kostete. Onassis war daran, die Scheidung einzuleiten, als er starb. Jackie nahm die 27 angebotenen Millionen und verzichtete auf den Rest des Clanvermögens. Ein Jahr später arbeitete sie bereits wieder so, wie sie als junge Frau angefangen hatte, als Lektorin bei einem Verlag.

Mit zwanzig am glücklichsten

Lektorin und Journalistin war die junge Frau gewesen, glühend interessiert an Literatur und Geschichte. Sie hatte Vorfahren aus der französischen Provence und mütterlicherseits aus Irland. Sie studierte an der Sorbonne in Paris und bezeichnete jene Zeit (1949/1950) als die glücklichste ihres Lebens. Kunststück: Da war sie gerade mal frühlingshafte zwanzig. Sie sprach neben Englisch Spanisch, Italienisch und Französisch.

Als sie 1963 mit Präsident Kennedy Frankreich besuchte, sagte der: «Ich bin der Mann, der Jacqueline nach Paris begleitete – und ich habe es genossen.» Auch General Charles de Gaulle war beeindruckt – sie freilich weniger von ihm: «Ein Egomane.» Martin Luther King erschien ihr als «Heuchler» – vielleicht, weil der Prediger eine ähnliche Zahl von Affären hatte wie ihr Mann. Indira Gandhi, Indiens damalige Premierministerin, bezeichnete sie als «bittere, aufdringliche, schreckliche Frau».

Man muss sich eins vor Augen halten: Als Jacqueline Kennedy diese Erfahrungen machte und die Mächtigen von damals derart hart beurteilte, war sie knapp über dreissig Jahre alt. Die berühmteste, am meisten fotografierte Frau der Welt. Eine sogenannte Stilikone. Mit einem weit lebhafteren und grösseren Geist, als sich nur in Mode zu erschöpfen, unter dem Pillbox-Hütchen, das sie meistens trug.

Jacqueline förderte zeitlebens Literatur und Kunst, lud Pablo Casals ein ins Weisse Haus und 49 Nobelpreisträger. Sorgte dafür, dass architektonische Schätze nicht eingeebnet wurden von Abrissbirnen. Schien durch und durch feminin und war doch nie fragil, geschweige denn sentimental.

Der Dreikäsehoch am Sarg

Nach der schrecklichsten Stunde ihres Lebens, als Kennedy in Dallas ermordet wurde, behielt sie das rosa Chanel-Kleid mit Absicht noch lange an; man sollte das Blut sehen. Kaum waren die Schüsse gefallen, war sie im Auto nach hinten auf den Kofferraum gekrochen, um einen Schädelsplitter ihres Mannes aufzusammeln. Niemand vergisst die Trauerfeier für Kennedy, damals live in alle Welt übertragen: Die First Witwe im schwarzen Kostüm, mit schwarzem Schleier, der dreijährige John Junior, der an Daddys Sarg salutierte ...

«Polit-PR für die Ewigkeit», nannte das der «Spiegel» kühl. Tatsächlich hatte Jackie das Meiste jener Feier angeordnet und sich dabei an historische Muster gehalten von der Beerdigung Abraham Lincolns, unter anderem an die Geschütz-Lafette, worauf der Sarg transportiert worden war.

«Ich glaube», sagte Jackie, «dass die Bilder, die wir uns von Menschen machen, am Ende oft realer sind als die Menschen selbst.» Doch halt! Das sagt die Jacqueline Kennedy vom Kinofilm, der gerade anläuft. Da soll nicht sehr viel mit der historischen Jackie übereinstimmen, sagen Vertraute von damals. Selbst der Regisseur wies darauf hin, den Filmbildern nicht allzu sehr zu vertrauen. Trotzdem hat Jackie recht: Es sind Bilder – es ist die Erzählung –, die Leben enthalten und bewahren.