Ist das Kunst?
Arc de Triomphe in Paris: Christos letzte Hülle

In Paris wird Napoleons Triumphbogen nach den Plänen des Verhüllungskünstlers posthum eingepackt. Eine technische Meisterleistung.

Stefan Brändle aus Paris Jetzt kommentieren
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Industriekletterer umwickeln die Hülle des Arc de Triomphe mit roten Seilen.

Industriekletterer umwickeln die Hülle des Arc de Triomphe mit roten Seilen.

Rafael Yaghobzadeh / AP

Die Bauarbeiten begannen schon am 15. Juli, gleich nach dem französischen Nationalfeiertag, an dem der Arc de Triomphe jeweils als Kulisse für die Militärparade des Quatorze Juillet dient. Mehrere Dutzend Industriekletterer machten sich daran, an dem 50 Meter hohen Bauwerk punktuelle Stahlgerüste anzubringen. Dann umwickelten sie das Denkmal für den Sieg Napoleons in der Drei-Kaiser-Schlacht von Austerlitz von 1805 mit roten Seilen. Seit Montag wird nun klar, wozu: Sie halten die 25'000 Quadratmeter umfassende Hülle aus (recyclebarem) Polypropylen, die diese Woche über den ganzen Monumentalbau gespannt wird.

Am Samstag, dem 18. September, soll das Werk vollbracht und der Pariser Triumphbogen verhüllt sein. Von wem es stammt, braucht nicht gesagt zu werden: Natürlich von Christo Vladimiroff Javacheff, kurz Christo genannt, dem bulgarischen Verpackungskünstler, der unter anderem schon die Kunsthalle Bern (1968) oder den Reichstag in Berlin (1995) eingekleidet hatte.

Chirac lehnte den verhüllten Triumphbogen ab

Für den Triumphbogen kehrt der im Mai 2020 verstorbene Künstler zumindest mit seinem Werk zu seiner ersten Liebe zurück – Paris. Als 23-Jähriger war er auf der Flucht vor dem kommunistischen Regime seines Landes in die Lichterstadt an der Seine gekommen. In Paris errichtete er sein erstes grösseres Kunstwerk, als er ohne jede Genehmigung eine Seitenstrasse mit aufeinander geschichteten Ölfässern verstellte und das Ganze «eisernen Vorhang» nannte.

Bald fand er zusammen mit seiner Frau, der Französin Jeanne-Claude Denat de Guillebon (2009 gestorben), zu seinem unverwechselbaren Stil. Sehr früh schon wälzte er zwei Projekte, die Verhüllung des Pont-Neuf und des Arc de Triomphe. Die Pariser Brücke deckte er in der Tat 1985 ab, nachdem der damalige Pariser Bürgermeister Jacque Chirac nach jahrelangem Zögern die Bewilligung erteilt hatte.

Ein Tuch über dem hehren Triumphbogen – das kam für die geschichtsbewussten Franzosen aber nicht in Frage. Christo nahm das Projekt erst vor vier Jahren wieder auf, und auch nur, weil es bei den Behörden plötzlich auf Zustimmung stiess. Der Vorsteher der französischen Geschichtsbauten sowie der Leiter des Kunsttempels Centre Pompidous lancierten die Idee, und Staatschef Emmanuel Macron erteilte 2019 die Genehmigung der Republik.

Der 2020 verstorbene Verhüllungskünstler Christo.

Der 2020 verstorbene Verhüllungskünstler Christo.

Britta Pedersen / DPA

Der damals 82-jährige Künstler mit dem Woody-Allen-Look widmete sich der technischen Ausführung wie üblich persönlich und regelte die letzten Details wie etwa die Art der Seilknoten. Am wichtigsten war ihm aber das Tuch. Es sollte grobkörnig sein, weil zum Anfassen bestimmt. Die metallisch-silbrigblaue Farbe sollte zusammen mit den roten Stricken entfernt an die französische Nationalflagge gemahnen und vor allem die Farbe des Himmels und der Dächer über Paris wiedergeben. Das vielleicht auch, weil Christo bei seiner Ankunft in Paris zuerst in einer billigen Mansardenwohnung der Rue Quentin-Bauchart mit Blick auf den Triumphbogen gewohnt hatte.

Deshalb wusste Christo auch, dass es auf dem Prunkgebäude, das selber auf einer Anhöhe zwischen Champs-Elysées und Avenue de la Grande-Armée steht, stark windet. Die Verhüllung wurde deshalb an einem 20 Meter hohen Modell in einer Art Luftkanal getestet. Auch in seinem hohen Alter begeisterte sich Christo noch an der technischen Herausforderung: «Das unglaubliche Vergnügen besteht doch darin, dass die Hülle die Existenz des Windes wiedergeben kann», sagte er zwei Monate vor seinem Tod. «So kann man dann den Wind sehen!»

Subventionierung lehnte Christo kategorisch ab

Abgesehen davon ist damit keine künstlerische Aussage verbunden. Christo legte in seine «lebenden Objekte», darunter eben auch die Triumphbogenhülle, nie eine Botschaft. Seine ebenso vergänglichen wie spektakulären Konstrukte sollten die Leute, wie er meinte, einzig zur «Diskussion am Strasseneck» verleiten, was Kunst sei. Dass der Triumphbogen vor drei Jahren in den Sozialprotesten der «Gelbwesten» teilweise verwüstet worden war, spielte indes nicht mit. Um das Geld ging es Christo und seiner Frau – die aus gutem Haus kam und sich von einer guten Partie scheiden liess, um zu dem armen Schlucker aus Bulgarien zu ziehen – auch nicht. Die Kosten von 14 Millionen Euro für die Verhüllung des Triumphbogens brachte der später weltbekannte Künstler mit dem Verkauf von Projektstudien zusammen; eine Subventionierung lehnte er kategorisch ab.

Christos Neffe Vladimir Yavachev, der die Einhaltung der letzten Pläne seines Onkels überwacht, setzte auch durch, dass die Verhüllung ohne Zusatztarif (neben dem üblichen Besuchspreis für den Arc de Triomphe) besucht werden kann. Nach 16 Tagen, also am 3. Oktober, wird die vergängliche Haut wieder abgebaut. Sie soll keine Spur hinterlassen, wie der verstorbene Künstler noch festhielt.

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