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Eveline Widmer-Schlumpf, Joe Ackermann, Sepp Blatter: Bis jetzt gastierten nur ehemalige Polit- und Wirtschaftsgrössen bei «Gredig direkt» von SRF. Nun bezieht der Talkmaster Stellung.
«Gredig direkt» heisst Ihre Talksendung bei SRF. Bis jetzt war bei Ihnen aber noch kein einziger Entscheidungsträger mit direktem Bezug zur Aktualität. Warum?
Urs Gredig: Die Sendung versteht sich nicht primär als aktualitätsbezogen. Es stimmt, wir hatten teilweise Gäste, die nicht mehr in ihrer früheren Funktion sind. Trotzdem ist es relevant, wenn ein Ökonom Josef Ackermann über die Wirtschaftslage, ein zurückgetretener SBB-CEO Andreas Meyer über die gerade ausgebrochene Coronakrise oder eine Eveline Widmer-Schlumpf als Präsidentin von Pro Senectute über die bröckelnde Solidarität der Generationen spricht.
Warum kein Alain Berset zur Coronakrise oder ein Gianni Infantino über die Skandale beim Fussballverband Fifa statt eines Sepp Blatters?
Glauben Sie mir, einen Gianni Infantino würden wir sofort nehmen als Gast. Im Prinzip gilt: Tagesaktuelle Gäste wie zum Beispiel auch ein Daniel Koch sind bei den aktualitätsbezogenen Talks in 10vor10, in der Rundschau oder in der Arena zur Genüge vertreten. Wir wollen nicht noch mehr vom Gleichen. Was künftige Bundesräte bei «Gredig direkt» allerdings natürlich nicht ausschliesst.
Wann ist es so weit?
Wir haben bei allen Mitgliedern des Bundesrats angefragt. Eventuell klappt es noch vor der Sommerpause. Wichtig ist mir, dass auch ein Bundesrat sich auf die persönlichen Fragen einlässt. Die Preisgabe des persönlichen Empfindens ist Teil des Sendungskonzepts.
Können Sie die Namen der nächsten Gäste nennen?
Heute Abend ist die Sängerin Stefanie Heinzmann in der Sendung. Für Juni kann ich noch keine Namen verraten. Nicht, dass mir noch ein Gast abspringt. Wir haben aber Zusagen von anderen Entscheidträgern: UBS-CEO Sergio Ermotti werden wir im Studio haben und den Stadler-Rail-Chef Peter Spuhler. Auch Jean-Claude Juncker, Beatrice Egli oder Emil haben zugesagt. Wir wollen Politik, Wirtschaft, Sport, Gesellschaft paritätisch abhandeln.
Sie haben einen attraktiveren Sendeplatz als Ihr Vorgänger Roger Schawinski, dessen Interviewstil potenzielle Studiogäste vergraulte. Wie oft haben Sie schon eine Absage kassiert?
Bei dieser Sendung bisher noch nicht. Wir haben den Bonus des Unbekannten. Was wir hatten, waren angefragte Leute, die sagten: «Lassen Sie mich erst einmal die paar ersten Sendungen schauen.» Ich finde das legitim, denn dann weiss man, wie die Tonalität, der Stil etcetera ist. Übrigens ist Schawinski nicht mein Vorgänger. Sein Talk wurde jeweils montags ausgestrahlt, meiner hat seinen Platz am Donnerstagabend.
Trotzdem: Schawinski ist weg vom SRF, Sie wurden geholt und erhielten Ihren Talk. Wie würden Sie Ihren Ansatz umschreiben?
Es ist eine 1:1-Situation mit der Möglichkeit, in die Tiefe zu gehen, wo ich meinem Gast auch einmal etwas Zeit für eine Antwort gebe. Das besetzt eine Nische. Wir haben viel Zuspruch von Zuschauerinnen und potenziellen Gesprächspartnern erhalten, die diese Art sehr schätzen. Das zeigt sich übrigens auch in einer konstanten und erfreulichen Quote. Es soll nicht zu hart, gleichzeitig aber auch nicht zu betulich sein. Wir haben eine Art Kaminfeuergespräch zum Ziel.
Unter «Gredig direkt» stellt man sich aber eher harte Fragen und direkten Widerspruch als Kaminfeuer- Behaglichkeit vor. Auch das Studio mit seiner Schlichtheit strahlt alles andere als Gemütlichkeit aus.
Ich gebe Ihnen recht, es ist sehr reduziert, es gibt keinen Schnickschnack, was einen ablenkt vom Gespräch. Wenn man vom Wort «direkt» Konfrontation und Dissens erwartet, dann wird man enttäuscht. Ich verstehe darunter eher Konversation als Konfrontation. Ich gehe authentisch und interessiert auf eine Person zu, um etwas zu erfahren. Kritische Fragen sind zwingend, sie können aber auch in einer ruhigen und angenehmen Tonalität gestellt werden.