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Kultur
Kommerz wird mit Nachwuchsförderung verbunden: Regionale Fotografen gehören ebenso zum Programm wie international renommierte Künstler.
In den schmalen Gässchen der Konstanzer Niederburg liegen neben urigen Weinbeizen zahlreiche kleine Galerien versteckt. Zehn Jahre lang stand das zwischen Gerichts- und Alt-Sankt-Johann-Gasse gelegene Restaurant Il Castello leer. Seit Mai werden die sanierten Gemäuer von einer wachsenden Besucherzahl Fotografieinteressierter wiederbelebt.
Die Konstanzer Leica-Galerie zeigt hier ausgewählte Fotokünstler. Eben erst war der Schweizer Magnum-Fotograf Werner Bischof zu sehen. In sensiblen Schwarz-Weiss-Bildern dokumentierte er die Nachkriegszeit im zerstörten Europa. Aber auch regionale Fotografen sollen die Möglichkeit bekommen, sich einer grösseren Öffentlichkeit zu präsentieren.
Leica-Galerien sind für gewöhnlich eher in Metropolen wie Los Angeles oder Madrid anzutreffen. Geschäftsinhaber Markus Wintersig findet es toll, dass Konstanz jetzt neben diesen Städten aufgezählt wird. Hochwertige Fotografien auf Rohbetonwänden in einem historischen Gebäude – das alles verströmt tatsächlich ein wenig Grossstadtflair.
«Klar, die Leica-Galerien sind eine Kette», erklärt Wintersig, der ebenfalls das Konstanzer Fotogeschäft Lichtblick leitet. Da er und seine rund 15 Mitarbeiter selbst fotografieren, kam die Idee auf, sich um eine solche Galerie zu bewerben. «Wir können den Leuten dadurch näherbringen, was man mit Fotografie alles machen kann», so der Chef. «Die meisten verbinden heute Fotos mit dem, was sie auf einem Handybildschirm sehen. Wir beabsichtigen in unseren Ausstellungen, das Gegenteil dieser Reduktion zu zeigen.»Zur Galerie gehören ein Geschäft – der Leica-Store – sowie ein modernes Café mit kleinem Museumsshop.
Pro Jahr werden vier Ausstellungen gezeigt. Drei Kuratoren kümmern sich um die Auswahl und Präsentation der Künstler. Markus Brenner ist unter anderem für die Ausleuchtung und Hängung der Bilder zuständig. Judith Borowski unterhält in Berlin eine Werbeagentur und steht dadurch in Kontakt mit zahlreichen Künstlern. Barbara Marie Hofmann lebt wie Brenner in Konstanz und ist wie dieser selbst Kunstschaffende.
Morgen Freitag, 29.11., um 19 Uhr ist Vernissage von Ursula Böhmers Serie «Die Kuh – eine Feldforschung». Die Berliner Fotografin ist anwesend und spricht über ihre Bilder. Seit den 90er-Jahren reist sie durch Europa und porträtiert vom Aussterben bedrohte Rinderrassen. Die Schwarz-Weiss-Aufnahmen konfrontieren den Betrachter mit dem individuellen Tier. Die Kuh begleite die komplette Menschheitsgeschichte, doch heute sei sie längst «durchgängig industrialisiert». (js)
Wenn es nur nach den Kuratoren ginge, würden vor allem namhafte Fotografen ausgestellt, sagt der Geschäftsführer. Die Vorgaben von Leica hingegen seien eine Eins-zu-eins-Mischung von international bekannten und regionalen Künstlern. «Es ist wichtig, die hiesigen Fotografen zu berücksichtigen, damit sie weiterkommen», findet er. Schliesslich sei die erste Leica-Galerie 1976 in Wetzlar auch unter dem Gedanken der Nachwuchsförderung geboren worden.
Finanziert wird die Galerie durch den Verkauf im Store. Das Konzept sei ein Marketingwerkzeug der Firma, gesteht Wintersig. «Aber es steckt viel Herz dahinter. Wir vom Lichtblick sind alle Hobbyfotografen. Wir wollen die Leute inspirieren.»