Er ist umstritten, aber erfolgreich: Der Intendant des Theaters Konstanz geht in seine letzte Spielzeit. Mit seinem pointierten, angriffigen Stil sorgte er bisher für ein Theaterfeuerwerk. In der letzten Saison erfüllt er sich einige Träume.
Das Bild hat sich eingeprägt: Im Auswahlprozess für die Intendanz des Stadttheaters Konstanz sind 2005 noch zwei Kandidaten im Rennen: Barbara Ellenberger und Christoph Nix. Kolportiert wurde damals, dass für Ellenberger bereits der Blumenstrauss bereitstand. Doch dann kommt Nix. Der Jurist, der auch eine Ausbildung als Clown aufbietet und unbestritten ein Händchen fürs Theater – wenn nicht fürs Theatrale – hat, überrumpelt den Gemeinderat mit seinem Auftritt. Als hätte einmal mehr gezeigt werden müssen, dass Theater mit Kalkül auf Emotionen setzt. Christoph Nix jedenfalls wird mit einer Stimme Mehrheit überraschend gewählt. Kampfeslust hat er seither im eigenen Haus bewiesen, auch gegenüber der Stadt, deren Gemeinderäte seinen Vertrag vorzeitig bereits bis 2016 verlängert hatten, dann nochmals bis 2020, so dass jetzt die letzte Spielzeit unter Nix ansteht, bevor Karin Becker, noch Künstlerische Betriebsdirektorin am Hamburger Thalia-Theater, seine Nachfolge antritt.
Geprägt hat die Ära Nix, so viel lässt sich bereits sagen, die Umtriebigkeit dieses Intendanten, der gelegentlich Sturm durchs über 400 Jahre alte Haus fegen lässt und «nebenher» noch Bücher schreibt, als Jurist arbeitet und lehrt sowie das Theater an ferne Länder anbindet. Afrika war so ein Schwerpunkt, aus politischem Bewusstsein wie aus Empathie heraus geboren. Im Handstreich initiierte Nix auch den Ausbau der Spiegelhalle, dessen Pläne jahrelang in amtlichen Schubladen lagerten. Die Spielstätte am Hafen wurde Ort für vieles, blieb nicht mehr nur Heimstatt des Jungen Theaters. Mit «Genug ist nie genug» könnte die Ära vielleicht überschrieben werden, wobei Nix allerdings das Sommertheater in Überlingen zur Seite legte, dafür aber als Open Air die Sommerstücke auf dem Münsterplatz als Event etablierte. Eingesetzt hat er sich auch für Musikproduktionen und verfolgte den Traum, zeitgenössisches Tanztheater nach Konstanz zu bringen. Weitgehend auf der Strecke geblieben sind dabei Kooperationen im Dreiländereck, und auch die Ausrichtung der Baden-Württembergischen Theatertage 2019 wurde kurzfristig vom Theater abgesagt, nachdem der Gemeinderat einer weiteren Vertragsverlängerung um ein halbes Jahr nicht mehr zugestimmt hatte. Man murrte. Auf beiden Seiten.
Der Mann traut sich was. Kann überbordendes Theater bieten, was mehr als einmal grossartig war. Er kann Kritik philosophisch ausformulieren, kann auch für Eklat sorgen, der über die Stadtgrenze hinaus geht. Die Inszenierung von George Taboris Stück «Mein Kampf» 2018 war so ein Fall, bei dem es nicht mehr um die künstlerische Herangehensweise selbst ging – und gehen konnte – , sondern um die unsägliche Idee, die Premiere auf den 19. April («Führers Geburtstag») zu legen und dem Publikum Hakenkreuze und Judensterne anzudienen. Bereits 2009 hielt Reinhard Wengierek in einem Beitrag der «Welt» (anlässlich der Uraufführung eines Stückes über den Flugzeugabsturz bei Überlingen) treffend fest: «Gerade hier offenbarte sich ein Problem Nixscher Intendanzen: unentwegt frischer Wind und einfallsreiche Dramaturgie, aber oft schwächelnde ästhetische Kraft und Stringenz. Doch die Masse des Publikums steckt das weg. Bejubelt den funkelnden Gesamteindruck des Programms, das geschickt Beliebtes und auch Krachendes vereint mit Aufklär-Pathos.» Auch 2019 wirkt diese Einschätzung aktuell und weist über den Einzelfall hinaus.
Nun also die letzte Spielzeit des Mannes, den man in keiner Hinsicht unterschätzen sollte. Und in der kommenden Spielzeit «steckt viel Nix drin»: Der Intendant bearbeitet und schreibt selbst, auch sein Buch «Junge Hunde» erreicht die Bühne. Auf den letzten Metern will er einiges umsetzen, was ihm das Theater verwehrt hat. Auch Jugendträume, Afrika. «Ich werde Ihnen fehlen», sagt er schon heute voraus. Er muss es wissen.