Gute Aussichten und in Gras gepackte Möbel

Erstmals in der Schweiz zu sehen sind bei widmertheodoridis die besten jungen deutschen Fotografen in «Gute Aussichten». Und grün in grün präsentiert sich der Garten der Galerie in Eschlikon – möbliert mit Sofas, Tischen, Lampen, die die Zürcher Künstlerin Chiara Fiorini spielerisch mit Kunstrasen eingekleidet hat.

Dieter Langhart
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Grün in Grün: Chiara Fiorini bei Widmertheodoridis in Eschlikon. (Bild: Dieter Langhart)

Grün in Grün: Chiara Fiorini bei Widmertheodoridis in Eschlikon. (Bild: Dieter Langhart)

ESCHLIKON. Wie soll ein frühlingshafter Garten sein? Grün, mit Tischen und Stühlen auf dem Rasen. Jener zwischen Haus und Scheune der Galerie widmertheodoridis irritiert – da ist alles grün. Sofa, Tisch, Stehlampe, alles ist von Gras überwachsen, auch der Brunnen. Dazwischen stehen halb gekippte Häuschen, auch sie überwachsen, selbst der Kamin – bis auf die Wände, auf denen kleben Spiegel.

Surrealistisch angehaucht

«Mir war nach Grün», sagt die Zürcher Künstlerin Chiara Fiorini, und so heisst auch ihre Ausstellung in Eschlikon. Fiorini verschiebt die Realität, ihr luftig-traumhaftes Spiel mit Innen- und Aussenraum ist surrealistisch angehaucht. Es setzt sich in der Scheune fort mit kleineren Motiven, Menschenfiguren oder Autos, grün in grün. Nur das Meisenhäuschen ist aus Holz – drauf sitzt ein Grasdach.

«Chiara Fiorini spielt gern mit bekannten, alltäglichen Materialien und Gegenständen», sagt Galerist Werner Widmer; das Unerwartete und Überzeichnete finde sich vor allem in ihren installativen Arbeiten, für die sie etwa Kleider aus Wattebäuschchen oder Hüten aus rezykliertem Kunststoff verwendet.

Junge deutsche Fotografie

Kein Wattebäuschchen fliegt durch den Himmel, sondern eine Wolke. Felix Hüffelmann lässt die Cloud endlos in einem Video-Loop über die Landschaft ziehen – als luftig-leichte Visualisierung der ebenso alltäglichen wie allgegenwärtigen Überwachung. Daneben hängt, schlicht, das fotografierte Cover von Pink Floyds Konzeptalbum «The Dark Side of the Moon».

Der Deutsche ist einer der neun Fotografen, der 2015 den renommierten Nachwuchswettbewerb «Gute Aussichten» gewonnen hat. Darin zeigen die besten Absolventen der Fachklassen Fotografie in Deutschland ihre Abschlussarbeiten. Aus über hundert Bewerbungen der Hochschulen hat eine Jury neun ausgewählt und auf die Reise geschickt. Die Galerie widmertheodoridis zeigt die Ausstellung zum ersten Mal in der Schweiz: nach Mailand und vor Mexiko. «Eine Galerieausstellung ermöglicht den Gewinnern die direkte Konfrontation mit dem Publikum», sagt Widmer.

Digitales Licht ohne Kamera

Naturgemäss ist bei den neun Fotografen alles vertreten. Die Ausstellung polarisiert, dennoch sind feine Verbindungen erkennbar. Kamil Sobolewski fotografiert analog in Schwarzweiss: Gesichter und Hände, Hunde und Pferde, urbane Szenen zwischen Mystik und Realität, hinter deren verletzlicher Poesie sich Geschichten erahnen lassen. Kolja Linowitzki malt abstrakte Bilder auf Fotopapier, lauter Unikate – nicht mit der Kamera, sondern mit digitalem Licht von einem Mobiltelefon. Das sind keine Spielereien, sondern Abbilder von inneren Vorstellungen.

Maja Wirkus bewegt sich auf den Spuren des Bauhaus in Polen. Ihre installativen Collagen vom schönen Glanz der Architektur, die sie erneut fotografiert, strahlen eine reduzierte Ästhetik aus.

Gregor Schmidt zeigt Qatar zwischen Tradition und Neuzeit: Gastarbeiter neben gelangweilten Prinzen. Auch Lars Hübner bildet mit Taiwan ein Land in einer Diskrepanz ab, während Jewgeni Roppel in ruhigen Farbbildern Orte im Westen Sibiriens erforscht und Melancholie hinter der Ästhetik spürbar macht.

Der Mensch – sozial und einsam

Kyung-Nyu Hyun zeigt in «Food Intake» die neue Wirklichkeit, die Einsamkeit des Menschen trotz einem virtuellen Gegenüber: Menschen essen und blicken gebannt auf den Tablet- oder Notebook-Bildschirm. Sehr zeitgenössisch sind auch Aras Göktens urbane Szenen: polierte bis manipulative Scheinwelten, leicht surreal und in ihrer Knalligkeit an Pop Art erinnernd.

Mi–Fr, 14–18, Sa, 11–16 Uhr; bis 30.4. Fallackerstrasse 6. www.0010.ch www.guteaussichten.org