Kunstschaffende mit einem Werkbeitrag der Stadt St. Gallen haben bisher im Katharinen ausgestellt. Für 2012 hat die Stadt viermal im Architekturforum Ostschweiz Gastrecht. Harlis Hadjidj-Schweizer eröffnet den Ausstellungsreigen.
Zum Glück, darf man sagen, stellt Harlis Hadjidj-Schweizer nicht im Katharinen aus. Wo früher Kunstschaffende, die einen Werkbeitrag der Stadt erhalten hatten, ihre Arbeiten präsentiert haben, hätte Harlis Schweizer genau ein Bild gezeigt. Jetzt hat die Stadt Gastrecht beim Architektur Forum Ostschweiz. Und der Raum leuchtet mit neun der vierzehn neuen Arbeiten der St. Galler Künstlerin.
2010 war Harlis Schweizer bei Kultur im Bahnhof zu sehen. Dunkel, weil vergangene Zeit zeigend, wirkten die Arbeiten. Hell, frühlingshaft, lichtstrebend die jetzigen Arbeiten. Der Begriff Evasion fällt im Gespräch mit der Künstlerin, den sie nicht als Flucht oder Traum definieren würde, sondern als etwas, was man «langen Weg in die Weite» nennen könnte.
Harlis Schweizer blättert in Reisekatalogen und pickt sich ein Bild von einer Destination heraus. Oder durchforstet fast dreitausend Bilder im Internet, die mit der Normandie zu tun haben. Die Orte Tokio, Havanna und Masuren hat sie noch nie live gesehen, verbindet sie aber mit Menschen, die sie kennt und die wiederum mit diesen Orten verbunden sind. Harlis Schweizers Orte sind nicht Traumorte, sondern mehr geträumte Orte.
Eindrucksvoll greift auf dem Havanna-Bild das Meer nach der Uferlinie, die moderne und alte Architektur zu einem Ganzen vereint. In Tokio zeigt Harlis Schweizer, fast plakativ denkend, unwirklich getürmte Hochhäuser. Expresszüge durchschneiden die Stadt. Und Brunnen, Bäume und Ruderboote bilden dazu eine seltsame Gegenidylle. Die Natur lässt Harlis Schweizer hier Natur sein, nur die Architektur gestaltet sie mit ihren hellen, bunten, aber seltsam unaufdringlichen Farben. Das orange dominierte Bild aus der Normandie «korrigiert» hingegen eine Kindheitserinnerung der Künstlerin. Langweilig, grau, unattraktiv fand Harlis Schweizer die Normandie damals. Auf ihrem Bild weicht jetzt alles Blasse einem intensiven, feurigen Orange.
So unwirklich und eben nicht persönlich bereist diese Ansichten wirken, strahlen sie recht geheimnisvoll doch etwas sehr Persönliches aus. Vielleicht ein Stück Sehnsucht, ein Stück Tagtraum nach fremden Orten an sich, eben eine Art innerer «Evasion» der Künstlerin. Auch als Betrachter will man gar nicht unbedingt an diese «Traumdestinationen» und doch lösen sie vielleicht eine Art inneres Denken über fremde Orte und ihre Versprechungen aus.
Harlis Schweizer blättert Bilder suchend nicht nur in Reisekatalogen, sondern auch in Klatschzeitschriften, wo sie Modelle findet, die dann zu Modellen ihrer Ölbilder werden.
Sie weiss um das Oberflächliche, das Vergängliche der Modewelt, die Träume und Enttäuschungen von Modellkarrieren. Und doch ist die Künstlerin vom Klischeehaften dieser Welt angetan. Hautpartien auf ihren Modellbildern malt sie mit Nachtleuchtfarben. Überhaupt schiebt sich unaufdringlich das Thema Haut in diese Bilder weiblicher Identitätssuche und weiblichen Ausgestelltseins. Fragile Lässigkeit auf dem einen löst auf einem zweiten Frauenbild mit ornamentalem Hintergrund das nur noch Angedeutete, Ausgesparte ab.
Bilder aus dem Internet, aus Reiseprospekten, aus Klatschmagazinen: Was Harlis Schweizer da macht, ist mehr als kunstvolles oder verfremdendes Nachbilden des im Banalen Vorgefundenen. Es bleibt ein wenig das Geheimnis dieser Künstlerin, wie aus Abbildern neue Sichten auf schnell Vorgefundenes werden. «Mit einem Magazinbild ausgestattet, mache ich mich auf die Suche nach dem Neuland des gemalten Bildes», sagt Schweizer. Wie aus Klischee- und Schablonenhaftem neue, eigene, im Innern entstehende geträumte Welten werden, fasziniert in dieser Ausstellung.
Bis 18. März. Architektur Forum Ostschweiz (Davidstr. 40). Di–So: 14–17 Uhr. Die Künstlerin ist jeweils sonntags anwesend. www.harlis.ch