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Warum sich Bundesrätin Karin Keller-Sutter eine Begegnung mit Joachim Gauck wünscht.
Welche Bücher liegen auf Ihrem Nachttisch??
Karin Keller-Sutter: Auf dem Nachttisch keines. Bücher begleiten mich sonst an vielen Orten. Und mindestens eines trage ich immer in meiner Tasche mit mir, denn ich habe hin und wieder Zeit, um ein paar Seiten zu lesen: im Zug, im Auto, manchmal sogar über Mittag im Büro. Im Moment gerade «Europadämmerung» von Ivan Krastev.
Wie viele Bücher haben Sie zu Hause?
Ich habe sie nicht gezählt, es sind sehr viele. Obwohl mein Mann immer wieder aussortiert. In meiner Wohnung gibt es fast keinen Raum ohne Bücher.
Wie lesen Sie?
Bücher nur gedruckt. Hingegen bin ich bei Zeitungen und Journalen auf die elektronischen Versionen umgestiegen, die lese ich auf dem Tablet.
Kritzeln Sie Ihre Bücher mit Ihren eigenen Gedanken voll?
Ja, ich streiche viel an, kritzle ein Ausrufezeichen an den Rand oder schreibe Kommentare rein. Ich halte einen Gedanken fest und denke ihn später weiter. Das macht viel vom Reiz des Lesens aus.
Gibt es ein Jugendbuch, das Sie auch als Erwachsener nochmals gelesen haben? Mit welchem Ergebnis?
Ich habe schon früh viel gelesen. Und bei einigen Büchern später gemerkt: Damals habe ich nicht alles verstanden. Als Jugendliche zum Beispiel war es Mode, Hesse zu lesen – «Siddhartha» etwa. Das habe ich damals natürlich nicht so richtig begriffen. Es hat sich gelohnt, dass ich das Buch später nochmals gelesen habe.
Welches Buch hat Ihr Leben verändert? Und warum?
Geprägt hat mich «Die Benediktsregel» vom Gründer des Benediktinerordens. Das Buch aus dem 6. Jahrhundert enthält Ratschläge für das Zusammenleben und die Führung, die auch nach über 1400 Jahren noch inspirieren können. Mir hilft es immer wieder, mich auf das Wichtige im Leben zu besinnen, Gelassenheit und Demut zu finden – eigentlich eine Lebenshilfe.
Wie stossen Sie auf neue Bücher?
Ich lese Rezensionen oder Porträts von Autorinnen und Autoren in den Zeitungen. Auch Empfehlungen von Freunden und Bekannten sind mir wichtig.
Welche drei – zeitgenössischen oder bereits verstorbenen –Autoren möchten Sie zu einem Nachtessen gemeinsam einladen?
Ich würde Friedrich August von Hayek, Karl Popper und Joachim Gauck einladen – das gäbe bestimmt einen überaus spannenden Abend. Wir wären uns wohl einig bei der zentralen Bedeutung des Rechtsstaats. Und die Diskussion über den Stellenwert der Freiheit in der modernen Gesellschaft mit den drei Herren stelle ich mir sehr inspirierend vor.
Und mit welcher Romanfigur würden Sie gern ein bisschen plaudern? Und über was?
Anna Karenina wäre eine spannende Gesprächspartnerin, davon bin ich überzeugt. Sie fasziniert mich, weil sie mutig den gesellschaftlichen Konventionen ihrer Zeit getrotzt hat und ihren eigenen Weg gegen alle Widerstände gegangen ist – was schliesslich zu ihrem Untergang geführt hat.
Welches Buch haben Sie nie zu Ende gelesen? Warum?
Einige. Immer wieder. Ich habe die Hemmungen abgelegt, Bücher fertig lesen zu müssen. Es ist ein bisschen wie beim Essen: Wenn es nicht schmeckt, schöpfe ich kein zweites Mal. Und wenn ich in ein Buch, in die Geschichte nicht reinkomme, feststecke und nach hundert Seiten merke, ich kann nichts damit anfangen – dann lege ich ein Buch zur Seite.
Welches aktuelle Buch empfehlen Sie unseren Lesern? Und warum?
Da muss ich nicht überlegen, es ist «Toleranz: einfach schwer» von Joachim Gauck. Seine Ausführungen über die Bedeutung und die Grenzen von Toleranz sind sehr anregend: Was hält die Gesellschaft zusammen? Besonders interessant ist es, wenn Gauck sich diese Gedanken im Kontext seiner eigenen Lebensgeschichte macht. In diesem Buch habe ich einige Stellen markiert.
In der Rubrik «Gebucht» erzählen Prominente von ihren Lesegewohnheiten.