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Kultur
Die Frauenfelder Künstlerin Cornelia Schedler inszeniert ihre Retrospektive über 40 Jahre Schaffen an einem ganz besonderen Ort. Sie belebt die Räume der Komturei Tobel, die einst Pilger beherbergten und seit vielen Jahren leerstehen.
Wenn man sechzig Jahre alt geworden ist und davon vierzig Jahre ganz auf das kreative Schaffen konzentriert war, dann darf man wohl Rückschau halten auf dieses Leben, in dem man gewirkt und sein Ziel nie aus den Augen verloren hat. Die Frauenfelder Künstlerin Cornelia Schedler tut dies mit dem Bewusstsein, dass alles seine Zeit hat, zu arbeiten, aber auch sich Rechenschaft abzulegen, was sie in diesem künstlerischen Leben geschafft hat.
Den Rahmen für ihre Ausstellung hat sie in der ehemaligen Komturei in Tobel gefunden. Die geschichtsträchtige Barockanlage am St.-Jakobs-Pilgerweg hat viele leere Räume anzubieten, die nun auf Zeit eine neue Funktion erhalten: die Schau auf ein Lebenswerk.
Cornelia Schedler hat sich früh entschieden, künstlerisch tätig zu werden. Sie wuchs in einer Künstlerfamilie auf, ihr Vater, der Maler und Grafiker Jacques Schedler, wie auch während ihrer Mittelschulzeit der Künstler Andrea Nold ermutigten sie in dieser Entscheidung. In der Kunstgewerbeschule Zürich erhielt sie bei ihrem Onkel Bruno Stamm Unterricht im Tiefdruck und noch mehr: Als er 1988 früh verstarb, vermachte er ihr seine Druckerwerkstatt, die sie nach Frauenfeld holte, wo bis heute ihr Lebensmittelpunkt ist.
Der Grossteil ihrer ausgestellten Arbeiten sind jetzt auch Druckerzeugnisse in unterschiedlichster Ausführung. Für Cornelia Schedler charakteristisch sind ihre Materialdrucke, zart, durchscheinend oder auch kräftig farbig, Pflanzenhaftes und Florales bis zum Spitzendekor.
Oft verbindet sich die Farbgebung in den Bildern mit den jeweiligen Räumen und deren Zeitspuren, ausgestattet mit Stuckdecken, blassgrüner Ausmalung, braunen Holzböden, die eine wohltuende Stimmung ausstrahlen und vergessen lassen, dass hier auch ein Zuchthaus Menschen verwahrte. Die sorgfältige Auswahl von dreihundert Werken und das Eingehen auf den Ort machen den besonderen Reiz dieser Gesamtausstellung aus.
Die spätbarocke Anlage des ehemaligen Johanniter-Ordens wurde von Baumeister Johann Caspar Bagnato (1696–1757) aus Ravensburg geplant, einem Stararchitekten jener Zeit. In Tobel hat er den Neubau der Komturei um 1745 errichten lassen, dazu kommen fast zeitgleich das Kornhaus in Rorschach und das Rathaus Bischofszell. Bekannt ist auch das Schloss Mainau, ebenfalls eine Komturei. Dort ist Bagnato auch begraben.
In Tobel ist die zweiflüglige Anlage mit Haupthaus recht karg ausgefallen. Eine Aufgabe war, Pilger auf dem Weg nach Santiago de Compostela zu beherbergen. Nach der Kapitulation 1798 des Johanniter-Ordens auf Malta wurde auch die Komturei in Tobel herrenlos. 1807 entschied der junge Staat Thurgau, dort eine Strafanstalt unterzubringen, die 1973 aufgehoben wurde. 1984 darin ein Bauernmuseum einzurichten, lehnte das Thurgauer Stimmvolk ab. Heute verwaltet eine Stiftung die zusehends zerfallende Anlage. (bf)
Die eindrücklichste Arbeit aber ist Schedlers Installation «Zeitkleid». Auf eine schwarze Kleiderbüste ist ein gehäkeltes Schultertuch gelegt, von dem sechzig Stränge auf den Boden fallen, beschwert mit Kieselsteinen. Jeder Strang unterscheidet sich vom anderen, ist verschiedenfarbig, von tiefrot, dunkel, glitzernd bis weiss, bestehend aus je 365 Maschen.
In dem zugehörigen Video trägt die Künstlerin ihr Zeitkleid, zieht es würdevoll gemessenen Schrittes hinter sich her. Man hat nicht den Eindruck, dass es sie beschwert, aber es hat doch sein Gewicht, gewirktes, farbiges Leben, das sie jetzt hinter sich lässt, das sie schmückt und auszeichnet. Dabei blickt sie nicht zurück, sondern geht weiter ihren Weg vorwärts, den sie selbst bestimmt.
«Alles zu seiner Zeit», Retrospektive Cornelia Schedler, Komturei Tobel, bis 22.9.2019, Di–So 12–17 Uhr, corneliaschedler.ch