Die Direktorin Elena Filipovic der Kunsthalle Basel über Performancekunst und was sie über unsere Zeit aussagt.
Wer ab heute Abend die Kunsthalle Basel besucht, wird überrascht sein: keine Bilder, keine Installationen, wenig, was rumliegt. Dafür all diese Menschen! «New Swiss Performance Now» heisst die Ausstellung, die eigentlich gar keine ist. Zumindest nicht im klassischen Sinne: 24 Performancekünstler und -Kollektive werden hier Tag für Tag performen, manchmal Einmaliges, manchmal Wiederholendes, manchmal Kurioses, an dem man dreimal vorbeikommen muss, um zu begreifen, was es soll. Elena Filipovic hat gemeinsam mit Renate Wagner die Ausstellung konzipiert. Wir trafen sie vorab zum Gespräch.
Elena Filipovic: Wir zeigen ein riesiges Spektrum. Das geht von spektakulären Bühnenarbeiten bis hin zu Florence Jung, die jedem Besucher am Eingang einen Vertrag zum Unterschreiben gibt und so die Besucher zu ihren Performern macht. In einer Zeit, wo man sich online für alles anmelden muss und freimütig seine Daten weggibt, stellt uns Jung vor die Realität dieser schon fast alltäglichen Handlung: Wissen wir überhaupt, was wir da alles unterschreiben? Solche Fragen beschäftigen alle, sie sind sehr publikumsnah.
Gar nicht. Wir haben uns in der ganzen Schweiz umgeschaut und am Ende einfach viele Künstler in Basel gefunden. Auf den zweiten Blick ist das gar nicht so überraschend, die Basler Performancekünstlerin Muda Mathis hat meines Erachtens viel damit zu tun. Sie war lange Jahre Dozentin an der Hochschule für Gestaltung und Kunst und hat viele junge Menschen inspiriert.
Davon weiss ich nichts, aber diese Menschen werden in der Kunsthalle umso mehr auf ihre Kosten kommen.
Wir befinden uns in einem sehr schnellen Zeitalter, alles ist immer verfügbar, und alles steht zum Verkauf. Jedes erdenkliche Gut wird kommerzialisiert, auch die Kunst. In diesem Szenario bietet Performance den Künstlern einen Zufluchtsort, eine Möglichkeit, sich dem Kunstmarkt zu entziehen. Das ist auch in unserer Show so: Die meisten Künstler hier liefern unverkäufliche Arbeiten. Sie produzieren unmittelbar vor Ort – und sind dann wieder weg. Diese Kunst kann man nicht wie eine Malerei an eine Wand über ein Sofa hängen. Performancekunst heute ist also eine Haltung gegenüber dem Kunstmarkt. Aber genauso ist es auch eine Haltung gegenüber dem Erlebnis.
Genau. In einer Welt, wo alles kuratiert ist, alles sofort auf Instagram und Facebook geteilt wird, suchen diese Künstler nach realen Erfahrungen. Performance ist die letzte Bastion, wo unsere Präsenz, unser direktes Erlebnis noch wirklich etwas bedeutet.
Ich glaube schon. Viele Künstler haben deshalb ein zweites Standbein mit einem Brotjob oder in den darstellenden Künsten – Tanz, Theater etc. –, weil sie da eher an staatliche Fördergelder kommen.
Sie dienen als «Sprinkle», als Dekoelement für Vernissagen. Und suggerieren stets: Content geschieht woanders. Bei uns soll das anders sein.
Performancekunst wird immer einen Eventcharakter haben. Uns geht es darum, diesen in die Ausstellung zu integrieren. Wir zeigen keine Dokumentationen, sondern alles live, insgesamt also etwas über 50 Events. Das ist ungewöhnlich für eine Ausstellung: Sie entwickelt sich zeitlich, nicht räumlich. Der Besucher bekommt einen Pass und darf während der ganzen Dauer immer wieder vorbeikommen. Und sich so hoffentlich Stück für Stück sein eigenes Erlebnis zusammenbauen.
«New Swiss Performance Now» Kunsthalle, Basel. Vernissage Do, 18. Januar, 19 Uhr. Läuft bis 18. Februar.
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Weitere Infos zum Projekt PerformanceProcess: www.performanceprocessbasel.ch