Film
Woody Allens neuer Film: Auf einen Whisky mit Hemingway

Der neue Film «Midnight in Paris» von Woody Allen ist eine Hommage an die Pariser Künstlerszene der 1920er-Jahre . Im Film warten viele komische Momente. Kaum jemand dürfte den Kinobesuch bereuen.

Stefan Volk
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Seit Woody Allen immer öfter New York den Rücken kehrt und in London, Barcelona oder Paris dreht, tummeln sich seine Protagonisten mit Vorliebe in edlen Landhäusern oder sündhaft teuren Luxushotels. Sie sind Künstler oder reich, am besten beides.

In «Midnight in Paris» macht nun der erfolgreiche Hollywood-Drehbuchautor Gil mit seiner Verlobten Inez und deren Eltern Ferien in Paris. Während Inez (Rachel McAdams) durch Boutiquen und Galerien hetzt, träumt Gil davon, einen Roman zu schreiben und durch den Regen zu schlendern.

Inez nimmt das nicht ernst. Wenn sie erst mal verheiratet sind, glaubt sie, wird sie ihm die Flausen schon austreiben. Ihren stockkonservativen Tea-Party-Eltern allerdings ist Gil gründlich suspekt.

Ein Tor zur Vergangenheit

Bei einem gemeinsamen Abendessen erklärt er wortreich, dass er und sie sich doch prima verstünden. Und dies, obwohl Inez’ Vater Standpunkte vertrete, die man sonst eigentlich ja nur einem völlig Schwachsinnigen zutraue.

Statt befreiendem Gelächter erntet er da bloss eisiges Schweigen. In solchen Momenten gibt sich Gil deutlich als Woody Allens Alter Ego zu erkennen, auch wenn er äusserlich kaum etwas mit dem «Stadtneurotiker» gemein hat. Gil ist blond, muskulös und wird von Owen Wilson («Starsky & Hutch») gespielt, der wohl endlich sein Image des dümmlich grinsenden Hollywood-Clowns abschütteln will.

Den romantischen Literaten nimmt man ihm aber einfach nicht ab. Dass er immerhin sympathisch wirkt, liegt vor allem daran, dass Allens Drehbuch ihn mit lauter bis zur Karikatur unsympathischen Figuren umgibt. Kaum auszuhalten ist etwa Inez’ wichtigtuerischer Jugendfreund Paul (Michael Sheen). Während Inez im Museum andächtig an Pauls Lippen klebt, rollt Gil mit den Augen.

Frustriert und betrunken verirrt er sich eines Abends in den Strassen von Paris, als sich um Schlag Mitternacht auf mysteriöse Weise ein Tor in die Vergangenheit öffnet. Ein seltsamer Oldtimerwagen biegt um die Ecke, und aus dem Auto heraus winkt jemand Gil zu sich. Gil steigt ein und fährt geradewegs in das Paris der 1920er-Jahre, zu den illustren Künstlerpartys der damaligen Boheme.

Was jetzt folgt und sich Nacht für Nacht wiederholt, ist ein Reigen kurioser Begegnungen mit jungen Künstlern, die einmal zu den ganz Grossen gehören werden. Ernest Hemingway (Corey Stoll) schwadroniert von Mut, Krieg und Frauen. Zelda und F. Scott Fitzgerald (Allison Pill, Tom Hiddleston) zanken sich.

Und Gertrude Stein (Kathy Bates) lektoriert Gils Romanmanuskript, während Salvador Dalí (Adrian Brody) in einer Spelunke von Rhinozerossen schwafelt. Das Prominentenkarussell, das sich da um Gil dreht, ist durchwegs klischeehaft besetzt und reduziert die Charaktere zu Stichwortgebern für historische Anspielungen und banale Scherze.

Plumpe Nummernparade

«Midnight in Paris» ist eine dieser netten, charmanten und harmlosen Komödien, wie man sie von Woody Allen zuletzt häufig gesehen hat. Mehr selbstgefällig als selbstironisch und ziemlich leicht durchschaubar. Klar, dass sich Gil bei seinen nächtlichen Ausflügen verliebt: in Adriana (Marion Cotillard), eine Muse Picassos. Klar auch, dass die Zeitreisen Gils Leben verändern. Und fast schon klar, dass Gils Frauen alle jünger sind als er und er am Ende bei der allerjüngsten landet.

Der Film hat viele komische Momente, die Dialoge sind mit Witz und Routine geschrieben, die Geschichte wird schwungvoll erzählt, praktisch ohne Längen. Kaum jemand dürfte den Kinobesuch bereuen. Verglichen mit einem zart komponierten Meisterwerk wie «Purple Rose of Cairo», in dem Woody Allen 1985 schon einmal Realität und Fantasiewelt miteinander verspann, wirkt «Midnight in Paris» allerdings wie eine plumpe Nummernrevue. Nostalgisch werden kann man da schon. Aber weniger beim Gedanken an die Goldenen Zwanziger als an die goldenen Woody-Allen-Jahre.

Midnight in Paris (Spanien, USA 2011), 94 Min. Regie: Woody Allen. Mit Rachel McAdams und Owen Wilson.