4500 Gäste und eine riesige Leinwand: «Spectre» im Hallenstadion war ein Ereignis der Superlative.
So viele Menschen tummeln sich vor dem Hallenstadion auch vor einem Konzert von Justin Bieber oder Rihanna. Aber nie sind sie so gut gekleidet wie am Dienstagabend. In Smoking und Ballkleid entsteigen Herr und Frau Schweizer Grossraumtaxis und Limousinen. Nicht nur VIPs aus Fernsehen, Sport und Politik schlendern funkelnd und strahlend über den roten Teppich, auch Normalsterbliche haben sich herausgeputzt. Ein Abend lang James Bond oder ein Bond-Girl sein – am Dienstagabend ist es möglich.
Der Anlass ist die Schweizer Premiere des neuen 007-Abenteuers «Spectre». Laut Veranstalter ist es die grösste Schweizer Filmpremiere aller Zeiten. Das Bond-Fieber ist hierzulande schliesslich besonders hoch. In keinem anderen Land der Welt ist die Dichte an Bond-Fans höher. Und «Skyfall» lief 2012 in den Schweizer Kinos besser als jeder andere Bond-Film zuvor. «Das wollen wir mit ‹Spectre› toppen», sagt Marco Schärer von Sony Pictures Schweiz.
Also findet die Premiere nicht in einem Kino vor einigen hundert Zuschauern statt, sondern im Hallenstadion, wo für 4500 Gäste Platz geschaffen wurde. So haben neben den Promis auch die zahlreichen Bond-Fans Zutritt. Ein Kinopublikum in dieser Grössenordnung kennt sonst nur die Piazza Grande am Filmfestival in Locarno. Die Aufführung von «Spectre» sei laut Schärer aber die grösste «alleinstehende Filmpremiere aller Zeiten» in der Schweiz.
Und wahrlich, alleine die Leinwand, die im Hallenstadion errichtet wurde, ist eine Wucht. Sie nimmt fast die gesamte Breite der Halle ein. Mit 390 Quadratmetern überragt sie sogar die Leinwand auf der Piazza Grande, die 364 Quadratmeter misst. Sprich: In diesen Mega-Dimensionen gab es Geheimagent 007 auf Schweizer Leinwänden noch nie zu sehen.
Die Vorbereitung auf die Premiere war eine Herkulesaufgabe. Der Aufbau begann vergangenen Sonntag um Mitternacht und musste in weniger als 48 Stunden fertig sein. Die Zahlen dahinter sind gewaltig: Neun Sattelschlepper lieferten insgesamt 78 Tonnen Material an, neben der Leinwand auch 232 Lautsprecher, 559 Scheinwerfer und über 5000 Quadratmeter Teppich und Bodenbeläge. Mehr als 500 Mitarbeiter und Helfer – auch sie alle schick – sind am Dienstagabend im Einsatz.
Um Punkt 18 Uhr fahren die ersten Taxis und Limousinen vor. Bachelor Tobias Rentsch posiert für Selfies, «Tatort»-Kommissar Stefan Gubser huscht mit einem verschmitzten Grinsen an den Fotografen vorbei, und Ex-Miss-Schweiz Linda Fäh gibt artig Autogramme. Kein Gekreische, alles bleibt gesittet.
Erst um 19.08 Uhr wird es laut. Die Stargäste des Anlasses treffen ein. Nein, nicht etwa Bond-Darsteller Daniel Craig oder die beiden Bond-Girls Léa Seydoux und Monica Bellucci. Den kurzen Flug von London – wo einen Abend zuvor die Weltpremiere von «Spectre» stattfand – nach Zürich haben nur Miss-Moneypenny-Darstellerin Naomie Harris, Kraftpacket Dave Bautista (er spielt den Schurken Mr. Hinx) und Co-Produzent Gregg Wilson auf sich genommen.
Bautista witzelt zwar, er könne ja mit dem Namen von Daniel Craig signieren. Doch ein bisschen Enttäuschung macht sich schon breit. Es ist, als würde der FC Barcelona beim FCZ gastieren, aber statt mit Messi, Neymar und Suarez nur mit der B-Mannschaft antreten. Freundschaftskick statt Champions League. Haben die Stars etwa keine Lust auf die Schweiz? «In ganz Europa finden diese Woche grosse Premieren statt», beschwichtigt Schärer. Der Promo-Marathon führe durch Rom, Berlin und Madrid, die Auftritte der Stars müssten aufgeteilt werden.
Schärer ist trotzdem froh: «Dass die Tour überhaupt in der Schweiz Halt macht, ist nicht selbstverständlich. Wir sind froh, drei Talente aus dem Film hier zu haben.» Als kurz nach 20 Uhr alle Gäste im Hallenstadion Platz genommen haben und auf der gigantischen Leinwand die ersten Filmbilder flimmern, wird das zur Nebensache. 4500 Kinogänger sehen den vielleicht nicht grossartigsten Bond ihres Lebens – aber den ganz bestimmt grössten.