Kino
Hetzjagd auf Billie Holiday: Wie das FBI dem Jazz-Star wegen ihrer Heroinsucht jahrelang das Leben schwer machte

Der Spielfilm «The United States vs. Billie Holiday» erzählt von der Verfolgung Holidays durch den Geheimdienst auf dem Höhepunkt ihrer Karriere. Und erklärt, was dahintersteckte.

Regina Grüter
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Billie Holiday (Andra Day) trennt sich von Jimmy Fletcher (Trevante Rhodes). Der zukünftige Ehemann Louis McKay (Rob Morgan) holt sie ab.

Billie Holiday (Andra Day) trennt sich von Jimmy Fletcher (Trevante Rhodes). Der zukünftige Ehemann Louis McKay (Rob Morgan) holt sie ab.

Bild: Takashi Seida/Hulu

Die Fronten sind klar in «The United States vs. Billie Holiday»: auf der einen Seite die USA, der Staat, auf der anderen eine Einzelperson, Billie Holiday (1915–1959), auch bekannt unter dem Beinamen Lady Day. Die afroamerikanische Jazzsängerin, die ihrem Gesang eine unverwechselbare Note gab, avancierte in den 1940er-Jahren zu einer der populärsten Künstlerinnen für ein schwarzes und ein weisses Publikum.

Der US-amerikanische Spielfilm legt den Finger auf eine wenig bekannte Tatsache in Holidays Leben: die Verfolgung durch das FBI auf dem Höhepunkt ihrer Karriere.

Die Bundespolizei suchte nach einem Weg, Holiday an der Aufführung von «Strange Fruit» zu hindern. Der Ausdruck wurde zum Symbol für Lynchmord, der Song zur ersten Hymne der aufkeimenden Bürgerrechtsbewegung.

1947 wurde Billie Holiday erstmals wegen Drogenbesitzes verhaftet – und verurteilt. Nach ihrer Haftentlassung, 1948, füllte sie die New Yorker Carnegie Hall.

Fiktive Liebesgeschichte mit FBI-Agenten

Das Drehbuch basiert auf dem Sachbuch «Drogen: Die Geschichte eines langen Krieges» von Johann Hari. Billie Holiday steht hier stellvertretend für die Konsumenten und Opfer einer verfehlten Drogenpolitik. Für den alltäglichen Rassismus, dem Billie Holiday auch als etablierte Sängerin ausgesetzt war, steht im Film die verbriefte Hotelliftszene: Sie wird gezwungen, den Warenlift zu benutzen. Auch wird das Publikum Zeuge davon, wie Holiday auf Tournee durch den Süden mit dem Bild konfrontiert wird, das der Song «Strange Fruit» zeichnet: «Black body swinging in the Southern breeze / Strange fruit hanging from the poplar trees» («Schwarzer Körper baumelt im Südstaaten-Wind / Merkwürdige Früchte hängen von den Pappeln»). 1939 sang sie den Song zum ersten Mal.

Was die filmische Umsetzung betrifft, kann «The United States vs. Billie Holiday» indes nicht voll überzeugen. Die Einzige, die das kann, ist Hauptdarstellerin Andra Day (siehe Box). Regisseur Lee Daniels («Precious», «The Butler») hat schlicht zu viel gewollt. Am störendsten ist, dass die Geschichte des FBI-Agenten Jimmy Fletcher (Trevante Rhodes) parallel erzählt und zu einer fiktiven Liebesbeziehung mit Holiday ausgebaut wird. So gerät der Film streckenweise kitschig und pathetisch; er zeigt zu viel – und das überdeutlich – und doch zu wenig. Von Subtilität kann hier keine Rede sein. Explizit werden ihre Heroinsucht thematisiert und ihre Beziehungen zu gewalttätigen Männern.

Mit Harry J. Anslinger (Garrett Hedlund), Vorsitzender des Federal Bureau of Narcotics, wurde ihr ein eindimensionales Feindbild entgegengestellt.

Nur am Rand bekommt man mit, wie progressiv Billie Holiday war; dass sie als eine der ersten Jazzsängerinnen mit weissen Musikern auftrat; dass sie ganz selbstverständlich Liebesbeziehungen zu Männern und Frauen unterhielt. Das Private ist politisch, trotzdem hätte man gerne mehr über die Hintergründe von «Strange Fruit» erfahren und nicht nur, dass der Song Billie Holiday so viel bedeutet hat.

Andra Day ist Lady Day

Der Künstlername Andra Day kommt nicht von ungefähr: Billie Holiday, auch Lady Day genannt, ist das grosse Vorbild der afroamerikanischen R ’n’ B- und Soulsängerin. Ihre intensive Interpretation der Jazz-Ikone zieht bedingungslos in ihren Bann – auch wenn sie nicht singt. Der Film mache eine Wahrheit sichtbar und helfe damit, die Systeme zu demontieren, die schon Billie Holiday diskriminiert hätten. Für ihre erste Filmrolle erhielt Andra Day einen Golden Globe und eine Oscarnominierung. (reg)

Die Klammer des Films bildet die Tatsache, dass es die US-amerikanische Politik in über 120 Jahren nicht geschafft hat, Lynchjustiz auch auf Bundesebene zur Straftat zu machen.

Es geht darum, wie das FBI Billie Holidays Drogensucht nutzte, um sie zu diskriminieren und damit der Bürgerrechtsbewegung zu schaden.

Schauspielerin Judy Garland, eine Zeitgenossin Holidays, wurde nie wegen ihres Drogenkonsums strafrechtlich verfolgt. Die «weissen» Drogen, Aufputsch- und Schlafmittel, sind gut, die «afroamerikanischen», Marihuana und Heroin, böse, könnte man plakativ sagen – Stichwort Opioidkrise. Trotz berechtigter Kritik gehört «The United States vs. Billie Holiday» zu den Werken aus der jüngeren Film- und Seriengeschichte, die so richtig wütend machen.

Youtube

«The United States vs. Billie Holiday» (USA 2021), 130 Min., R: Lee Daniels, ab 29. April im Kino.