Defizite
Das Zurich Film Festival steckt in finanziellen Nöten – und hofft auf Hilfe vom Staat

Locarno ist abgesagt, Neuenburg und Nyon ebenfalls, einzig das Zurich Film Festival soll stattfinden. Doch es hat ein Sponsoring-Problem.

Daniel Fuchs
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Christian Jungen leitet neu das ZFF.

Christian Jungen leitet neu das ZFF.

Hill Studios ZFF

Fast nur privat finanziert: Was das Zurich Film Festival (ZFF) immer stolz betonte, könnte ihm nun zum Verhängnis werden. Die wirtschaftlichen Folgen des Corona-Lockdowns reissen beim Festival ein finanzielles Loch auf. Neo-Festivaldirektor Christian Jungen spricht gegenüber dieser Zeitung von mehreren hunderttausend Franken, die fehlen. Das finanzielle Loch sei gross.

Firmen ziehen sich aus Verträgen wieder zurück

Ausgerechnet das ZFF also, letzter Festival-Hoffnungsschimmer der Filmbranche. Die Pandemie hat das Filmjahr 2020 kurz nach der Berlinale im Februar abrupt beendet. Filmdrehs und Filmproduktionen wurden gestoppt, Festivals abgesagt, sogar Cannes, das wichtigste Festival überhaupt in Europa, fiel ihr zum Opfer. Und als der Bundesrat ein Grossveranstaltungsverbot bis Ende August aussprach, wurde klar, dass auch das prestigeträchtigste Filmfestival der Schweiz, in Locarno, nicht wie geplant stattfinden kann. Nur die Zürcher, sie blieben voller Hoffnung.

In Locarno soll es nun doch Filmvorführungen geben

Das Locarno Film Festival findet jeweils in der ersten Augusthälfte statt. Wie zahlreiche andere Filmfestivals sagte die Leitung die diesjährige Ausgabe nach dem Corona-Lockdown ab. Allein vor der riesigen Leinwand auf der Piazza Grande finden 8000 Zuschauer Platz – in Pandemiezeiten kein besonders geeignetes Setting. Im Zuge der Lockerungen aber wurde klar: Veranstaltungen mit mehreren hundert Personen werden möglich sein. Und so will die Festivalleitung nun doch Vorführungen vor Ort anbieten, wie Raphaël Brunschwig, operativer Direktor, sagt. Gezeigt werden über 40 Filme, wiederholt in insgesamt drei Locarneser Kinosälen. «Wir werden über 100 Veranstaltungen bieten, während desselben Zeitraums, in dem das Festival stattfinden würde.» Premieren würden aber keine gezeigt, sagt Brunschwig. Die Veranstaltungen richten sich primär an die Menschen vor Ort und sollen beim regionalen Gewerbe und Tourismus wenigstens für einen Teil der Einnahmen sorgen, für die das Festival in einem normalen Jahr sorgt. (dfu)

Und jetzt, im Zuge der bundesrätlichen Lockerungsschritte des Frühsommers 2020, gab das Abwarten Jungen und seinem ZFF, das Ende September stattfindet, recht. Veranstaltungen mit bis zu 1000 Personen sind wieder möglich. «‹Das ZFF kann stattfinden›», versicherte mir Mr. Corona Daniel Koch persönlich», erinnert sich Jungen, der die Festivalleitung nach der letztjährigen Ausgabe vom Duo Nadja Schildknecht und Karl Spoerri übernommen hat.

Wäre da nur nicht das liebe Geld. Etwas neidisch blickt Jungen nach Locarno, das nicht nur ein höheres Budget als das Zurich Film Festival aufweist, sondern deutlich mehr öffentliche Gelder kassiert. Das Zürich Film Festival aber sei zu über 90 Prozent privat finanziert, unterstreicht Jungen immer wieder. «Deshalb stellt die Wirtschaftskrise für uns eine sehr grosse Herausforderung dar. Mit mehreren Firmen waren wir uns einig, dann kam der Lockdown und die bereits aufgesetzten Verträge wurden nicht mehr unterschrieben, weil den Firmen die Erträge wegbrachen.»

Teilweise, so Jungen, hätten bestehende Partner ihren Vertrag für dieses Jahr nicht mehr erneuert, weil sie nicht mehr daran glaubten, dass sich im Herbst ein Festival durchführen liesse. «Oder sie gerieten gleich selbst in Schwierigkeiten.»

Das Problem sind nicht die Hauptsponsoren. «Das diesjährige Festival ist nicht gefährdet», betont Jungen. Doch wegen des Lockdowns sei es nicht möglich gewesen, neue Firmen anzufragen. «Es wirkte deplatziert, Firmen um Unterstützung für ein Filmfestival im Herbst anzufragen, deren Mitarbeiter gerade in Kurzarbeit geschickt worden waren.»

Und so liegen beim Zurich Film Festival, das der NZZ gehört, die Hoffnungen letztlich noch beim Staat. Der Kanton Zürich solle nun einmalig in die Bresche springen, wünscht sich Jungen. Und wenn nicht? «In den letzten Tagen hat sich das Bild zwar etwas aufgehellt und wir sind zuversichtlich, dass wir noch neue Partner finden», so Jungen.

Aber wenn es uns nicht gelingt, das Budget auszugleichen, schreiben wir ein Defizit.