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Der Schweizer Filmschauspieler Bruno Todeschini ist der diesjährige Ehrengast an den 54. Solothurner Filmtagen. Der gebürtige Neuenburger über seine lange Karriere im französischen Autorenkino und die Tücken seines Berufs.
«Je ne choisis pas un rôle, je choisis de faire partie d’une histoire.» Mit diesem Zitat lässt sich Bruno Todeschini im Programmkatalog der diesjährigen Solothurner Filmtage zitieren. Im deutschen Wortlaut: Er suche sich nicht einzelne Rollen aus, sondern Geschichten, an denen er teilhaben wolle. Gewichtet Todeschini also die Qualität der ihm zugesandten Drehbücher höher als die angebotene Gage und das damit verbundene Prestige? Oder heisst es eher, dass ihm die Einbettung als Darsteller in ein spannendes Konzept wichtiger ist als die Eigenheiten der Figuren, die man ihm zu verkörpern gibt?
Mit dieser Frage eröffnen wir das Gespräch mit Todeschini in einem Genfer Restaurant. Mit seiner Antwort schlägt er einen dritten Weg ein: «Ich möchte einfach vorab das Universum der Person kennen, die Regie führt. Ich will mit ihr sprechen. Ich will wissen, was ihre Referenzen sind oder was sie mit ihrem Stoff vorhat. Und tatsächlich kann das dann auch bedeuten, dass ich je nach Ausgangslage lieber eine Nebenrolle in einem Projekt annehme, das mich interessiert, als eine Hauptrolle in einem Film, der auf rein finanziellen Überlegungen basiert.»
Geht man die Liste von Bruno Todeschinis Filmografie chronologisch durch, ergibt sich daraus also nicht nur ein Bild seiner Karriere, sondern folgerichtig auch seiner persönlichen Vorlieben. Sein Weg führte ihn von einer Theaterausbildung in Genf zu einer internationalen Schauspieltruppe unter der Leitung des Opern-, Theater- und Filmregisseurs Patrice Chéreau. Ab den frühen Neunzigern übernahm er erste Filmrollen und wurde kurz darauf zu einem der vertrauten Gesichter des anspruchsvollen französischen Autoren-kinos.
Bruno Todeschini wurde 1962 geboren und wuchs im Neuenburger Dorf Marin auf. Nach einer Theaterausbildung in Genf stiess er nach einem Casting zur französischen Theatertruppe «Groupe Des Amandines» im Pariser Vorort Nanterre, die von Patrice Chéreau geleitet wurde. Neben seiner regelmässigen Präsenz im französischen Autorenkino ist er auch dem Schweizer Filmschaffen eng verbunden: Er hat mit Alain Tanner, Markus Imhoof, Thomas Imbach und Bettina Oberli gearbeitet. Nach mehreren Jahrzehnten in Paris wohnt der verheiratete zweifache Vater heute wieder in Genf. (gw)
Für diese frühen Filme macht sich Todeschini heute noch stark. Den Filmregisseur Arnaud Desplechin, der ihn 1992 in seinem Frühwerk «La sentinelle» («Die Wache») besetzte und damit auch seine Filmkarriere in Gang setzte, bezeichnet er als einen der wenigen Menschen in seiner beruflichen Laufbahn, die es verstünden, Schauspieler richtig zu führen. Desplechin sei, wie Chéreau auch, ein richtiger «directeur d’acteurs».
Im Gegenzug nennt Todeschini auch ohne ein Blatt vor dem Mund Namen von Filmschaffenden, mit denen die Zusammenarbeit weniger geklappt hat, bittet uns aber, sie nicht zu veröffentlichen. «Schlechte Filme verschwinden halt danach nicht einfach, sie verfolgen einen», ist Todeschini überzeugt.
Bei einzelnen Filmtiteln, die wir nennen, rümpft er leicht die Nase. Sein Blick sagt dann jeweils alles, und wir überspringen diese Teile seiner Filmografie.
Die zutiefst (selbst-)kritische Haltung auch gegenüber seinem Werk prägt wohl die Strategie des Charakterdarstellers, bei allen seinen Zusagen vorsichtig zu sein: Er wirkt nicht gerade erpicht darauf, einen Fehler zweimal zu machen. «Warum sieht man Sie eigentlich nicht öfters in Komödien?», fragen wir ins Blaue hinein. «Weil ich mir das so aussuche», lautet auch auf diese Frage wieder Todeschinis Antwort. «Verstehen Sie mich richtig: Ich mag Komödien, ich liebe Jim Carrey und Louis de Funès. Aber die Qualität der französischen Komödiendrehbücher, die ich bekomme, ist meist abschreckend. Neulich habe ich mir eine Filmkomödie angeschaut, bei der ich zuvor abgesagt hatte. Zum Glück war ich da nicht dabei!» Todeschini rümpft leicht die Nase und nennt den Namen der Regisseurin. Wir behalten ihn für uns.
Die Solothurner Filmtage zeigen anlässlich der «Rencontre» insgesamt dreizehn Filme mit Bruno Todeschini. Im gleichen Rahmen finden zudem eine öffentliche Begegnung und eine Masterclass statt. In weiteren Sektionen der Filmtage laufen neuere Schweizer Produktionen, in denen Todeschini mitwirkt: Die RTS-TV-Serie «Double Vie» sowie die im Piemont gedrehte Literaturverfilmung «Il mangiatore di pietre», die diesen Frühling in der Deutschschweiz in die Kinos kommt. (gw)
Dass es mit dieser Absage und dem danach vernichtenden Urteil des abgeschlossenen Films eine Regisseurin getroffen hat, ist jedoch alles andere als Zufall: Bruno Todeschini arbeitet auffallend oft mit Frauen auf dem Regiestuhl zusammen: «Seit meinen Anfängen ist das so – obwohl es zu dieser Zeit fast nur männliche Regisseure gab. Ich hatte absolut nie Probleme damit, mich auf dem Set von einer Frau leiten zu lassen. Ich habe eine weibliche Seite in mir, und die kommt da manchmal zum Vorschein.»
Dann ist also auch dieses Bekenntnis zu einem Kino aus weiblicher Sicht dazu auch immer ein bewusster Entscheid in seiner Karriere gewesen?
Todeschini widerspricht und wird heiter: «Also wenn die Frage jetzt lautet, ob ich es bin, der sich die Regisseurinnen aussucht oder eher sie mich – dann kann ich dazu nur sagen: Es ist immer die Frau, die sich den Mann aussucht. Überall im Leben. Immer.»