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Kultur
Seraina Rohrer tritt als Direktorin der Solothurner Filmtage zurück. Im Interview spricht die 41-jährige Filmwissenschafterin über ihre Beweggründe, ihre liebsten Filmtage-Erinnerungen und ihre neue Aufgabe bei Pro Helvetia.
Bei den Schweizer Filmfestivals bleibt derzeit kein Stein auf dem anderen. Nach Locarno und Zürich wechselt nun auch Solothurn seine künstlerische Leitung aus.
Sie treten völlig überraschend als Direktorin der Solothurner Filmtage zurück. Weshalb?
Seraina Rohrer: Ich habe mir bei den Filmtagen von Anfang an eine Frist von zehn Jahren gesetzt. Mein Rücktritt kommt nach acht Jahren zwar etwas früher, aber ich hatte Lust auf eine neue Herausforderung.
Sie wechseln in die Geschäftsleitung von Pro Helvetia. Dort werden Sie Ihr Fachgebiet Film nur noch aus der Entfernung betreuen können.
Ich war kulturell immer schon breit interessiert. In jungen Jahren war ich beispielsweise an der Gründung eines Musik-Start-ups beteiligt. Bei Pro Helvetia habe ich nun die Möglichkeit, spartenübergreifend zu arbeiten, in einem breiteren kulturellen Kontext. In diese Richtung entwickelt sich auch die Branche, die verschiedenen Kultursparten spannen immer stärker zusammen.
Mit welchem Gefühl verlassen Sie nach acht Jahren die Filmtage?
Die Arbeit bei den Filmtagen habe ich unglaublich gerne gemacht. Das waren acht sehr emotionale Ausgaben, in deren Zuge ich mit einem wunderbaren Team zusammenarbeiten und die Schweizer Filmlandschaft mitgestalten konnte. Ich blicke also auch mit einem weinenden Auge zurück. Aber für mich ist dieser nächste Schritt gut – und auch für die Filmtage ist es gut, wenn es ab und zu zu Veränderungen kommt.
Heisst das, Sie und die Filmtage hatten neue Impulse nötig?
Neue Impulse sind gut, aber ich würde nicht sagen, dass sie in Solothurn überfällig waren. Mir war bei den Filmtagen nie langweilig, und die Filmtage sind heute sehr gut aufgestellt.
Auf welche persönlichen Highlights blicken Sie zurück?
Vor allem auf die Begegnungen mit den Filmschaffenden. Da waren all diese emotionalen Momente, als ihre Filme erstmals ein Publikum fanden und ihre harte Arbeit somit belohnt wurde. Was mir ein Leben lang in Erinnerung bleiben wird, ist die Eröffnung der Filmtage 2017 mit dem Film «Die göttliche Ordnung», der für Begeisterung sorgte. Aber auch das letztjährige Rencontre mit Christoph Schaub oder die vielen schönen Begegnungen rund um «A l’école des philosophes», Fernand Melgars Eröffnungsfilm 2018.
Wie sieht Ihre persönliche Bilanz aus? Haben Sie an den Filmtagen alle Ihre Ziele erreicht?
Als ich 2011 die Direktion in Solothurn übernahm, setzte ich mir drei strategische Schwerpunkte: Ich wollte stärker auf den Nachwuchs fokussieren, die Zusammenarbeit mit der Romandie fördern und einen grösseren Einbezug von Internationalität. Ich glaube, dass es mir gelungen ist, hier etwas aufzubauen und zu festigen.
Unter Ihrer Leitung vergrösserten sich auch die Besucherzahlen, von 55000 auf zuletzt 65000.
Es war mir ein grosses Anliegen, meine Begeisterung für den Schweizer Film einem breiten Publikum zu vermitteln. Ich konnte zudem die Tendenz nutzen, dass Festivals vermehrt auf Interesse stossen, da Begegnungen möglich werden.
Sie galten letztes Jahr als aussichtsreiche Kandidatin für den Direktorenposten in Locarno, doch daraus wurde dann nichts. Wie hat sich das auf die Planung Ihrer beruflichen Zukunft ausgewirkt?
Mein Rücktritt in Solothurn steht in keinem Zusammenhang mit der Position in Locarno. Mich hat einfach die Stelle bei Pro Helvetia interessiert.
Bei Pro Helvetia werden Sie den Bereich Innovation und Gesellschaft leiten. Was bedeutet das konkret?
Das ist ein neu geschaffener Bereich, in dem Themen wie technologische Entwicklung, Transkulturalität und Gender beheimatet ist. Was das konkret heisst und welche Projekte wir verfolgen, werden wir noch genauer definieren müssen. Aber genau das reizt mich: Ich kann bei Pro Helvetia etwas Neues aufbauen.
Ihre Gestaltungsmöglichkeiten werden dort aber deutlich kleiner sein als an den Filmtagen.
Pro Helvetia ist ein grösserer Betrieb, das ist so. Aber als Teil der Geschäftsleitung habe ich auch dort die Möglichkeit, strategische Schwerpunkte zu setzen. Ich freue mich auf diese Herausforderung.
Sie werden dann allerdings weit weniger in der Öffentlichkeit stehen. Werden Sie das Rampenlicht nicht vermissen?
Wir werden sehen, ob mir das Rampenlicht fehlt. (lacht) Wichtig ist mir bei meiner Arbeit die Sinnhaftigkeit und die Vorstellung, dass ich zu einer Weiterentwicklung beitragen kann. Das ist auch bei Pro Helvetia absolut gegeben.
Wie steht es um Ihre Nachfolge an der Filmtagen?
Die Stelle wird ausgeschrieben. Ich stehe für die Einarbeitung meiner Nachfolge zur Verfügung. Wann genau das geschieht, klärt sich, sobald die betreffende Person rekrutiert wurde.