Erinnerung an Pop-Queen
Wie ich mit Tina Turner Polonaise tanzte – oder zumindest fast

Erinnerungen eines überrumpelten Musikredaktors an ein ungewöhnliches Ereignis, an die Aura des Superstars sowie ein kleines Missgeschick.

Stefan Künzli
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Polonaise mit Tina: CH Media-Redaktor Stefan Künzli mit den Sängerinnen Dechen Shak-Dagsay, Tina Turner und Regula Curti.

Polonaise mit Tina: CH Media-Redaktor Stefan Künzli mit den Sängerinnen Dechen Shak-Dagsay, Tina Turner und Regula Curti.

Bild: Siggi Bucher

Lange war gar nicht klar, ob Tina Turner überhaupt erscheinen würde. Die Sängerin und Musiktherapeutin Regula Curti hatte am 14. Mai 2009 eine kleine Medienschar für die Präsentation des interreligiösen Projekts «Beyond – Three Voices for Peace» in das Zentrum Seeschau in Erlenbach eingeladen. Darunter auch mich, den Schreibenden, sowie die Fotografin Siggi Bucher.

Tina Turner wohnte damals schon seit einigen Jahren an der Zürcher Goldküste, quasi nebenan, und hatte sich mit Regula Curti und der Schweizer Sängerin tibetischer Abstammung Dechen Shak-Dagsay angefreundet. Der Superstar hatte eine starke spirituelle Seite und war praktizierende Buddhistin. Das Rezitieren von buddhistischen Mantras hatte ihr damals geholfen. In ihrer schwersten Zeit mit Ex-Mann Ike Turner, als sie stark suizidgefährdet war.

Für das Album-Projekt, das buddhistische und christliche Gebete vertonte, hatte sie deshalb gern ihre Stimme geliehen, ihre Sprechstimme, sowie eine spirituelle Botschaft geschrieben und rezitiert: «Start every day singing like the birds, singing takes you beyond, beyond, beyond, beyond. Beyond fear takes you into the place, where love grows», hört man sie auf dem Album mit ihrer eindrücklichen Altstimme sagen. Aber der Superstar war eben noch auf Welttournee, weshalb ihr Erscheinen in der Seeschau noch offen war.

So nah beim Superstar war ich nie mehr

Doch dann, um 14.58 Uhr, war sie plötzlich da. Ich war gerade in ein Gespräch mit Regula Curti und Dechen Shak-Dagsay vertieft, als Tina Turner majestätisch die Treppe zum Garten der Seeschau hinunterschritt. Alle Augen waren auf die Pop-Queen gerichtet. Und prompt steuerte sie schnurstracks auf mich, oder vielmehr auf meine beiden Gesprächspartnerinnen, zu.

Tina Turner 1958 als Backgroundsängerin von Ike Turner und seiner Band «Kings of Rhythm» in St. Louis.
7 Bilder
Tina Turner am 23. November 1973 bei einem Konzert mit Ike Tuner und den Ikettes in Montreux: Wild und sexy.
Zweite Karriere: Tina Turner beim Start ihrer Europatournee im Kongresshaus in Zürich am 21. Januar 1978.
Tina Turner und Mick Jagger traten 1985 gemeinsam beim Live Aid-Konzert in Philadelphia auf. Der Stones-Sänger hat ihr beim Aufbau ihrer zweiten Karriere geholfen.
Tina Turner bei ihrem Auftritt in Zürich im Jahr 1990 im Rahmen ihrer «Farewell-Tournee».
Das Alter spielt keine Rolle mehr. Die Legende wurde wegen ihren energiegeladenen Performances gefeiert.
2009 verabschiedete sich der Superstar von der Bühne. Hier bei ihrem Konzert im Hallenstadion Zürich am 15. Februar 2009.

Tina Turner 1958 als Backgroundsängerin von Ike Turner und seiner Band «Kings of Rhythm» in St. Louis.

Bild: Keystone

Die Fotografin ergriff geistesgegenwärtig die Gelegenheit und posierte mich und die drei Damen von «Beyond» zum Fototermin. Das ging so schnell, dass ich nicht mal meine Journi-Tasche beiseite legen konnte. Nein! Das Bild ist kein Fake! Und nein! Ich habe mit Tina Turner keine Polonaise getanzt – leider nicht. Es sieht bloss so oder ähnlich aus. Nicht mal ein Exklusiv-Interview gab es. Aber ein schönes, einmaliges Erlebnis war es allemal. So nah beim Superstar war ich nie mehr.

Stattdessen gab es einen Medientermin mit Tina Turner für alle: Ich fragte, weshalb sie auf dem Album nicht gleich selber singt. «Meine Stimme ist für diese Art Musik nicht wirklich schön», antwortet sie. «What love got to do with it», wurde sie in Anspielung auf einen ihren grossen Hits weiter gefragt. «Liebe hat so viel mit Vertrauen zu tun und mit der Bereitschaft, Türen für die Menschen zu öffnen. Genau deshalb bin ich hier», sagte sie.

Ein Bild, das um die Welt gegangen wäre

Dann passierte es: Tina Turner verrutschte die Bluse um die Brust. Doch die geistesgegenwärtige Fotografin zeigte sich auch galant und machte den Superstar auf das Missgeschick aufmerksam. «Oops, thank you very much», sagte sie, lächelte verlegen und richtete ihre Bluse. Es wäre ein Bild gewesen, das um die Welt gegangen wäre.