Erinnerungen eines überrumpelten Musikredaktors an ein ungewöhnliches Ereignis, an die Aura des Superstars sowie ein kleines Missgeschick.
Lange war gar nicht klar, ob Tina Turner überhaupt erscheinen würde. Die Sängerin und Musiktherapeutin Regula Curti hatte am 14. Mai 2009 eine kleine Medienschar für die Präsentation des interreligiösen Projekts «Beyond – Three Voices for Peace» in das Zentrum Seeschau in Erlenbach eingeladen. Darunter auch mich, den Schreibenden, sowie die Fotografin Siggi Bucher.
Tina Turner wohnte damals schon seit einigen Jahren an der Zürcher Goldküste, quasi nebenan, und hatte sich mit Regula Curti und der Schweizer Sängerin tibetischer Abstammung Dechen Shak-Dagsay angefreundet. Der Superstar hatte eine starke spirituelle Seite und war praktizierende Buddhistin. Das Rezitieren von buddhistischen Mantras hatte ihr damals geholfen. In ihrer schwersten Zeit mit Ex-Mann Ike Turner, als sie stark suizidgefährdet war.
Für das Album-Projekt, das buddhistische und christliche Gebete vertonte, hatte sie deshalb gern ihre Stimme geliehen, ihre Sprechstimme, sowie eine spirituelle Botschaft geschrieben und rezitiert: «Start every day singing like the birds, singing takes you beyond, beyond, beyond, beyond. Beyond fear takes you into the place, where love grows», hört man sie auf dem Album mit ihrer eindrücklichen Altstimme sagen. Aber der Superstar war eben noch auf Welttournee, weshalb ihr Erscheinen in der Seeschau noch offen war.
Doch dann, um 14.58 Uhr, war sie plötzlich da. Ich war gerade in ein Gespräch mit Regula Curti und Dechen Shak-Dagsay vertieft, als Tina Turner majestätisch die Treppe zum Garten der Seeschau hinunterschritt. Alle Augen waren auf die Pop-Queen gerichtet. Und prompt steuerte sie schnurstracks auf mich, oder vielmehr auf meine beiden Gesprächspartnerinnen, zu.
Die Fotografin ergriff geistesgegenwärtig die Gelegenheit und posierte mich und die drei Damen von «Beyond» zum Fototermin. Das ging so schnell, dass ich nicht mal meine Journi-Tasche beiseite legen konnte. Nein! Das Bild ist kein Fake! Und nein! Ich habe mit Tina Turner keine Polonaise getanzt – leider nicht. Es sieht bloss so oder ähnlich aus. Nicht mal ein Exklusiv-Interview gab es. Aber ein schönes, einmaliges Erlebnis war es allemal. So nah beim Superstar war ich nie mehr.
Stattdessen gab es einen Medientermin mit Tina Turner für alle: Ich fragte, weshalb sie auf dem Album nicht gleich selber singt. «Meine Stimme ist für diese Art Musik nicht wirklich schön», antwortet sie. «What love got to do with it», wurde sie in Anspielung auf einen ihren grossen Hits weiter gefragt. «Liebe hat so viel mit Vertrauen zu tun und mit der Bereitschaft, Türen für die Menschen zu öffnen. Genau deshalb bin ich hier», sagte sie.
Dann passierte es: Tina Turner verrutschte die Bluse um die Brust. Doch die geistesgegenwärtige Fotografin zeigte sich auch galant und machte den Superstar auf das Missgeschick aufmerksam. «Oops, thank you very much», sagte sie, lächelte verlegen und richtete ihre Bluse. Es wäre ein Bild gewesen, das um die Welt gegangen wäre.