Zwölf Kreative erhielten eine Einladung, für drei Monate in die Arboner Künstler-WG einzuziehen. Das Einzigartige am Tada-Atelieraufenthalt ist der Praxisbezug: 13 Ostschweizer Textilfirmen unterstützen die Künstlerinnen und Künstler bei ihren Ideen. Das Pilotprojekt wird von den Kantonen St.Gallen, Apppenzell Ausserrhoden und Thurgau getragen.
Es zischt und rattert, wenn Martin Schlegel und Linda Nafzger von der Textildruckerei Arbon die Siebdruckmaschine über den über 50 Meter langen Handdrucktisch bewegen. Gerade drucken sie eine weitere Farbschicht auf eine Stoffbahn mit psychedelischem Muster. Es wurde vom jungen Belgier Benjamin Mengistu Navet entworfen. Er ist Stipendiat von Tada (Textile and Design Alliance), einem Pilotprogramm der Kulturförderung der Kantone St.Gallen, Appenzell Ausserrhoden und Thurgau.
Seit Anfang September lebt der Mode- und Textildesigner in einer WG mit zwei anderen Stipendiaten in Arbon. Drei Monate dauert der Atelieraufenthalt, und das Besondere daran ist, dass die Stipendiaten und Stipendiatinnen dabei eng mit 13 Textilfirmen aus der Region zusammenarbeiten. Darunter ist auch die Textildruckerei Arbon, die letzte Handsiebdruckerei der Schweiz.
Diese direkte Anbindung an die Praxis ist einzigartig, entsprechend positiv wird das Förderprogramm von Kunstschaffenden aus der ganzen Welt aufgenommen. Auf die bisherigen drei Ausschreibungen von Tada trafen 600 Bewerbungen aus 60 Ländern ein. Zwölf Glückliche konnten seit Herbst 2020 ihren Arbeitsaufenthalt in Arbon antreten. Projektleiterin von Tada ist Marianne Burki. Die Kunsthistorikerin sagt:
«Die Nachfrage ist so gross, dass wir die Anforderungen für eine Bewerbung erhöhen mussten.»
Hocherfreut über den Anklang, auf welchen Tada stösst, sind auch die beteiligten drei Ostschweizer Kantone. Entsprechend prominent waren sie am Medienanlass zur Tada-Zwischenbilanz vertreten. Die St.Galler Kulturministerin Laura Bucher reiste ebenso nach Arbon wie ihr Ausserrhoder Kollege Alfred Stricker. Anwesend waren ausserdem alle drei Kulturamtsleiterinnen der beteiligten Kantone und Dominik Diezi, Arbons Stadtpräsident. Stricker brachte die Erfolgsformel auf den Punkt: «Es braucht Drei, bis ein Projekt Kraft bekommt.»
Beide Regierungsvertreter liessen es sich nicht nehmen, auf die glorreiche textile Vergangenheit der Ostschweiz zu verweisen. Bucher erinnerte an die direkte Zugverbindung von St.Gallen nach Paris ohne Halt in Zürich, die es vor 100 Jahren gab. Was Alfred Stricker dazu veranlasste, nachzudoppeln und auf die beinahe direkte Verbindung von Heiden nach Berlin, mit Halt in Rorschach, zu verweisen.
Für die beteiligten Textilfirmen ist Tada eine Investition. Sie sponsern die Kunstschaffenden mit ihrer Zeit, ihrem Know-how und ihren Produkten. Doch welchen Gewinn ziehen sie aus der Zusammenarbeit? «Es kommen Ideen, an welche wir nicht gedacht hätten», sagt Martin Schlegel. Und er erwähnt zwei konkrete Projekte, die sich ergeben hätten: Der Zürcher Künstler Tobias Kaspar, ein ehemaliger Tada-Stipendiat, arbeitet nun als Auftraggeber mit der Textildruckerei zusammen. Ausserdem sei ein sehr bekannter Künstler dank Tada auf die Textildruckerei aufmerksam geworden und plane nun eine Kooperation.
Domenica Tischhauser von der Firma Tisca in Bühler schätzt die Inputs der Stipendiaten ebenfalls sehr:
«Es macht Spass, als international tätige Firma mit Kunstschaffenden aus aller Welt zusammenzuarbeiten.»
Für Barbara Smith von der Thaler Firma Lobra ist es inspirierend, dass die Kunstschaffenden sich Zeit zum Ausprobieren nähmen: «Sie zeigen uns neue Möglichkeiten auf.»
Wie geht es weiter mit Tada? 2022 wird entschieden, ob das Projekt um vier Jahre verlängert wird. Für die Pilotphase entstehen Kosten von 1,1 Millionen Franken, etwa zwei Drittel werden von den Kantonen, der Rest von Stiftungen getragen. «Matchentscheidend ist, dass die Textilfirmen längerfristig bei der Stange bleiben», sagt Burki. «Ohne deren Engagement ist Tada nichts Besonderes.»
Die Ostschweiz kann es – wenn sie ihre Kräfte bündelt. Das zeigt sich nicht nur bei der Bekämpfung der Pandemie, sondern auch bei der Kulturförderung. Es ist den Kantonen St. Gallen, Appenzell Ausserrhoden und Thurgau gelungen, mit Tada ein Programm zu entwickeln, das bei Künstlerinnen und Künstlern von Berlin bis New York äusserst beliebt ist – eine Zusammenarbeit mit Vorbildcharakter. Dieser Erfolg wurde möglich dank der grosszügigen Unterstützung von Ostschweizer Textilfirmen. Sie öffnen Kreativen aus aller Welt die Türen zu ihren Betrieben und lassen sie experimentieren, ohne einen direkten Nutzen zu erwarten.
Doch dieser Nutzen wird sich ohne Zweifel einstellen. Denn die Kreativität, Neugierde und die ungewohnten Fragestellungen und Ideen, welche die Kunstschaffenden einbringen, haben das Potenzial, den entscheidenden Funken zu bilden für Innovation. Und nur damit können sich die Textilfirmen in ihren hochspezialisierten Nischen behaupten. (gen)
26.11., 14–21 Uhr, Tada-Spinnerei, Textildruckerei Arbon, Vorstellung Tada-Projekte und Podium. Veranstaltung mit Covid-Zertifikat, obligatorische Anmeldung hier.