Er spielt wie Louis Armstrong: Das Theater Konstanz zeigt eine wilde Traumreise ins Herz des Jazz

In «Wonderful World» feiert das Theater Konstanz Louis Armstrong und den Jazz. Im «Liederabend mit Welthits des Jazz», so der Untertitel, retten die Musik und phantastische Interpreten das krude Stück.

Julia Nehmiz
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Ist er echt oder eine Erscheinung? Lucille (Siggy Davis) träumt von Louis Armstrong (Terrence Ngassa).

Ist er echt oder eine Erscheinung? Lucille (Siggy Davis) träumt von Louis Armstrong (Terrence Ngassa).

Bild: Ilja Mess

Er war der erste Weltstar der populären Musik. Sein Name: ein Synonym für Jazz. Er war brillanter Trompeter, genialer, berührender Entertainer, brachte den Jazz auf eine ganz neue Stufe: Louis «Satchmo» Armstrong. Seine Einspielungen: bis heute unerreicht, Vorbilder für Generationen junger Musiker.

Das Theater Konstanz nimmt sich in «Wonderful World», das am Freitag Uraufführung feierte, Leben und Werk und Wirken des Ausnahme-Musikers an. «Ein Liederabend mit Welthits des Jazz», so der Untertitel des von Schauspieldirektor Mark Zurmühle geschriebenen und inszenierten Abends.

Die Songs sind grossartig. 25 Titel auf der Songliste, von «All Blues» über «Motherless Child», «Young, Gifted and Black» bis zum titelgebenden «Wonderful World». Zurmühle hat phantastische Interpreten gefunden für diese Orgie des Jazz: Allen voran Sängerin Siggy Davis und der kamerunische Trompeter Terrence Ngassa.

«You're young, gifted and black», Lucille (Siggy Davis, rechts) singt den Klassiker von Nina Simone und macht Priscilla (O'tooli Masanza) Mut.

«You're young, gifted and black», Lucille (Siggy Davis, rechts) singt den Klassiker von Nina Simone und macht Priscilla (O'tooli Masanza) Mut.

Bild: Ilja Mess

Auf Spurensuche im stillgelegten Museum

Die Handlung, die Mark Zurmühle um die Musik herum baut, ist kompliziert – und teils schleppend. Zu viel will er in den zweieinhalbstündigen Abend hineinpacken, Zeitdokumente, Weggefährten, Politik, Rassendiskriminierung, Anekdoten und biografische Erklärungen.

Das Setting: Armstrongs Geburtshaus, eine Bruchbude in Puppenstuben-Ästhetik, die Tapete hängt in Fetzen von der Decke, Sofa und Sessel zerschlissen die Fenster blind, der Boden vermüllt. Auf dem Dachboden ein heimeliges Kinderzimmer mit Tipi, Sitzkissen und ausgestopftem Dachs – bespielt wird es aber nicht. Das Haus war Museum, doch es sei schon seit Jahren geschlossen, erzählt Hausmeister Ruben (geschmeidig: André Rohde).

In diese merkwürdige Zeitkapsel platzt eines Abends Lucille (Siggy Davis), sie glaubt, eine Tochter von Louis Armstrong zu sein. Auf Spurensuche im stillgelegten Museum trifft sie in dieser Nacht zwischen Traum, Fantasiereise und Zeitreise auf allerhand angebliche Weggefährten – und Louis himself, gespielt von zwei Darstellern, eine Traumgestalt mit umwerfendem Trompetensound und Armstrong-Gesang (Terrence Ngassa) und bewegendem Spiel (Ramsès Alfa).

Lucille (Siggy Davis, Mitte) trifft im stillgelegten Museum auf angebliche Weggefährten von Louis Armstrong (Terrence Ngassa, oben).

Lucille (Siggy Davis, Mitte) trifft im stillgelegten Museum auf angebliche Weggefährten von Louis Armstrong (Terrence Ngassa, oben).

Bild: Ilja Mess

Glasklar der Ton, ein wilder Ritt, der im Triumph endet

Die Rahmenhandlung kommt manchmal hanebüchen und plump daher. Das ist schade, denn das Ensemble wirft sich mit Spielfreude in die vielen Rollen. Immer wieder berührende Momente. Und vor allem: Immer wieder grandiose Musik-Performances. Sie sind die Höhepunkte des Abends, sie reissen mit, lassen bereits im ersten Song einige Zuschauer schüchtern im Takt mitnicken.

Siggy Davis singt und fleht, in ihrer Stimme vereint sie Wucht und Gefühl, Zartheit und Klarheit, Sehnsucht und überbordende Lebensfreude. Jeder Song ein Erlebnis. Besonders, wenn der Orchestergraben nach oben gefahren wird und die Band mit dem unglaublichen Armstrong-Double Terrence Ngassa auch zu sehen ist: ein Jazz-Erlebnis.

Terrence Ngassa (Mitte) und die Band mit Benjamin Engel (Klarinette, Sax), Frank Denzinger (Schlagzeug), Thomas Förster (Piano), Albert Arpi Ketterl (Kontrabass) feuern Jazz-Salven in den Theatersaal.

Terrence Ngassa (Mitte) und die Band mit Benjamin Engel (Klarinette, Sax), Frank Denzinger (Schlagzeug), Thomas Förster (Piano), Albert Arpi Ketterl (Kontrabass) feuern Jazz-Salven in den Theatersaal.

Bild: Ilja Mess

Davis und Ngassa fetzen sich Scat-Gesangs-Silben um die Ohren, treiben sich an, weiter, höher, wilder immer wilder, Ngassa stösst Kaskaden aus seiner Trompete, glasklar der Ton, ein wilder Ritt, fordernd, jubelnd, der im Triumph endet. Das Theater Konstanz ist zu klein für seinen Sound.

Die Welt war damals nicht wundervoll, ist es auch heute nicht – doch in der Musik vereinen sich Träume.