Einfach nur da

Gecovert Mit «One Day» lieferte Wankelmut den Song des Jahres ab. Nun erscheint die erste Compilation des Berliner DJs. David Gadze

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An «One Day» gibt's dieses Jahr praktisch kein Vorbeikommen. Das Stück, ein Remix des Tracks «Reckoning Song» von Asaf Avidan, war im Sommer plötzlich überall und machte den Berliner DJ und Produzenten Wankelmut zum Senkrechtstarter der Elektroszene. Sein Auftritt im Kugl im April nächsten Jahres ist bereits seit Mitte Oktober ausverkauft. Doch während «One Day» unaufhaltsam durch den Himmel schiesst, bleibt Jacob Dilssner, wie der Soundtüftler richtig heisst, am Boden. «Es ist ja nur ein Remix», sagt er im Interview.

Mutter beschallte ihn mit Vivaldi

Die Musik wurde dem 25-Jährigen quasi in die Wiege gelegt. «Mein erster Kontakt mit der Musik fand bereits im Bauch meiner Mutter statt. Sie war fest davon überzeugt, dass Kinder schon vor der Geburt Klänge mitkriegen. Also hat sie mich mit Vivaldi und solchen Sachen beschallt.» Aufgewachsen sei er mit der Musik seiner Eltern. Vor allem die Plattensammlung seines Vaters, der viel Classic Rock aus den 60er- und 70er-Jahren hörte, habe ihn beeinflusst. «Nach mehreren Jahren Klavierunterricht habe ich mir irgendwann eine Gitarre gekauft. So mit elf, zwölf Jahren habe ich dann Rock, Punk und Metal entdeckt. Und irgendwann kamen dann Techno und die elektronische Musik in mein Leben – was in Berlin ja fast unumgänglich ist.»

Lädt Song auf Profil – los geht's

Als DJ Wankelmut hinterliess Dilssner wenige Jahre später erste Spuren im Berliner Untergrund. Ausserhalb kannte ihn kaum jemand. Bis er Mitte Dezember des vergangenen Jahres «One Day» auf sein Soundcloud-Profil lud. Das Stück verbreitete sich mit rasanter Geschwindigkeit im Internet und eroberte bald auch die Clubs. Als der Song im Juni offiziell als Single veröffentlicht wurde, stürmte er in zahlreichen Ländern, darunter auch in der Schweiz, an die Spitze der Charts und wurde zu einer Sommer-, ja Jahreshymne. Auf YouTube hat «One Day» inzwischen die 50-Millionen-Marke an Klicks durchbrochen.

Abgesehen von den vielen Auftritten und Remix-Anfragen habe sich in seinem Leben jedoch nicht viel verändert, sagt Dilssner: «Ich habe sehr viel zu tun, bin jedes Wochenende unterwegs und erledige Aufgaben, die ich vorher nie übernehmen musste. Ansonsten ist alles beim alten. Ich wohne immer noch in der gleichen Wohnung und treffe mich immer noch mit den gleichen Leuten.»

Eine neue Kostprobe von Wankelmuts Können gibt es auf der «Wankelmoods Vol. 1»-Compilation zu hören. Darauf versammelt er auf 80 Minuten 19 Tracks – davon zwei eigene Remixe – zu einem schwungvollen Fluss aus Techno- und Deep-House-Klängen, die nahtlos ineinander übergehen und trotzdem nie gleichförmig sind oder die Spannung absacken lassen. Es sei schwierig gewesen, die Tracks nicht bloss kurz hintereinander abzuspielen, sondern jedem Stück die Möglichkeit zu geben, sich zu entfalten.

Kommerz lässt ihn kalt

Was ist ihm denn wichtig an der Musik? «Musik sollte immer berühren – egal, ob ich sie höre, ob ich sie selber spiele oder ob ich sie auflege. Ich muss das Herzblut in ihr spüren. Wenn man ihr anhört, dass sie auf kommerziellen Erfolg gemacht ist, lässt sie mich kalt.» Genau das mache wohl die Faszination von «One Day» aus. Der Song sei nicht durchgestylt und kommerzialisiert, sondern «einfach nur da».

Schon bald könnte auch Wankelmuts eigene Musik da sein. Er wolle in Zukunft vermehrt eigene Stücke schreiben, sagt der Musiker. Und er hoffe, irgendwann sein Philosophiestudium, das nach vier Semestern momentan auf Eis liegt, wieder aufnehmen zu können: «Wenn ich mir eine gewisse Routine erarbeitet habe, kann ich vielleicht nächstes Jahr wieder einsteigen und parallel dazu Musik machen.» Und wenn der Erfolg ausbleibt? «Dann studiere ich einfach weiter und lege nebenbei auf. So gesehen bin ich für jede Situation vorbereitet. Ich bin gespannt, was kommen wird.»

Wankelmut: Wankelmoods Vol. 1 (Get Physical); live: 5.4.2013 im Kugl, St. Gallen.