Von Englisch zu Sanktgallerisch: Auf «Aifach», seinem zweiten Album, singt der Singer-Songwriter Sebastian Bill Mundart. Durch seine neuen Lieder zieht sich der Wunsch, der Welt den Rücken zu kehren. Zumindest zwischendurch.
Sein Haar fällt ins Gesicht, hinter der runden Brille versteckt sich ein Schlafzimmerblick. Sobald er am Cafétisch Platz genommen hat, beginnt Sebastian Bill, der richtig Völkle heisst, zu sinnieren. «Die Idee war schon länger da. Aber die Bereitschaft fehlte.» Der 25-Jährige spricht von seiner Entscheidung, statt auf Englisch auf Sanktgallerisch zu singen. Warum Mundart? «Aifach», antwortet Bill. So hat er auch sein neues zweites Album getauft.
Das Schlüsselerlebnis hatte Sebastian Bill an einer Party in einer St. Galler Loft. Er spielte Gitarre und sang seine Lieder – auf Englisch. Im Publikum sass auch der Musiker Manuel Stahlberger, der schon seit Jahren Dialekt singt. Nach dem Konzert sprach Bill mit Stahlberger. Diesem gefielen die Lieder durchaus, nur: «Ich verstehe nichts. Was ist denn Deine Botschaft? Warum Englisch?» Bill dachte lange über die Frage nach – und wusste plötzlich selbst nicht mehr, warum er in einer fremden Sprache singt.
Wobei er es eigentlich genau wusste: «Ich wollte meinen Idolen nacheifern, so klingen wie sie.» Vielleicht nicht gerade wie Bob Dylan, auf den der Titel von Bills Débutalbum «Why the clown cried in the backyard» anspielt. Aber zum Beispiel so wie die Bright Eyes, wie Rufus Wainwright oder Ryan Adams wollte Sebastian Bill klingen. Doch spätestens nach dem Erlebnis in der St. Galler Loft merkte er: «Ich bin nicht mehr ich selber.» Jetzt singt er im Dialekt seiner Heimatstadt und ist wieder näher bei sich selbst. «Vielleicht sogar näher bei den Leuten. Ja, die Kunst muss wieder näher zu den Leuten.»
Vielleicht wegen dieser Maxime ist «Aifach» ein zugängliches Album geworden. Es versammelt neun kurze Lieder mit kurzen Titeln wie «See», «Endlich» oder «Sunntig». Es sind zerbrechliche, einprägsame Melodien. Eindringlich, aber nie aufdringlich, obwohl einem Bill direkt ins Ohr zu singen scheint.
Durch die Texte zieht sich die Sehnsucht nach Ruhe. Wenn Bill die Stille der sonntäglichen Stadt beschreibt, klingt das nicht traurig, sondern es scheint gut so: «S'isch wider mol Sunntig, und d'Stadt verdient Rueh. D'Strosse sind einsam und d'Läde sind zue.» In «Endlich» stellt er lakonisch fest, «dass's besser isch, wänn du gosch», und er ist froh, dass die Freundin dabei ihr Zeug liegenlässt: «I rumm's dänn sälber uuf.»
In «Schöne Tag», dem fröhlichsten Song auf der CD, kapselt sich Bill ab und streift durch Feld, Wald und Wiesen. Ihn stören? Keine Chance. «Chaschs probiere. I nime s'Telefon nöd ab. I schnappe hüt dä ganz Tag frischi Luft.» Und selbst den «Engel», seine Stammbeiz, verlässt er im gleichnamigen Song lieber wieder, um zu Hause Fenster und Türen zu verriegeln. Immerhin scheint sich Bill alleine wohl zu fühlen: «I bruuch kai Hilf. I gang nöd under», singt er im Titellied.
Seine Texte will Bill nicht analysieren. Nur so viel: «Sie sind fiktiv, es geht nicht um mich.» Er breite nicht sein Seelenleben aus. Und überhaupt: «Die Sprache ist nicht so wichtig. Ich arbeite mehr an der Musik.» Zuerst kommt die Melodie, danach sucht Bill den passenden Text. So «aifach» ist das.
Die Arrangements und die Instrumentierung sind ebenfalls «aifach». Meist zupft er nur eine Gitarre, manchmal drückt er zusätzlich Pianotasten oder streicht über die Saiten einer Ukulele. Seine Lieder sind feingesponnene Klanggewebe, die man sich da und dort etwas kräftiger wünscht. Das ist der Nachteil daran, dass Bill die Songs selber, also ohne Studio, mit nur zwei Mikrophonen und einem Computer aufgenommen hat. Der Vorteil: «So bleibe ich unabhängig und kann jederzeit ein neues Album aufnehmen.»
Im Radio werden seine Lieder kaum je zu hören sein, doch das stört Sebastian Bill nicht. «Ich brauche keine Welttournée, ich gebe mich mit wenig zufrieden.» Das klingt nun wirklich sehr sanktgallerisch.
Sebastian Bill: Aifach (bald unter www.phontastix.ch erhältlich); live: Do, 3. Mai, Galerie Lüchinger (Webergasse), 18 Uhr