Autor John Connolly spürt einfühlsam dem Leben von Komiker Stan Laurel und seinem Partner Oliver Hardy nach. Er setzt gelungene Wortpointen und lässt die beiden Komiker durch die Tragikomödien ihres Privatlebens schlittern.
Ein kleiner dünner und ein grosser dicker Mann sollen ein Klavier ausliefern. Sie tragen Latzhosen und auf den Köpfen – Melonen! Absurd. Aha: Stan Laurel und Oliver Hardy, das berühmteste Komikerduo der Filmgeschichte. Mit dem Klavier in der Transportkiste stehen sie vor einer schier unendlichen Treppe und beginnen unverdrossen mit der Arbeit. Immer wieder schliddert die Kiste treppab. Immer wieder wuchten sie das Klavier hoch, und – man ahnt es.
Endlich oben, dringen sie in die leere Wohnung ein, zerstören mit ihrem notorischen Ungeschick das Mobiliar. Der Hausherr erscheint und zertrümmert rasend mit der Axt das Klavier. Da erscheint die Gattin. Das Instrument sollte eine Geburtstags-überraschung sein.
«Der Klaviertransport» (1932) ist ein typischer Laurel-und-Hardy-Film. Mit sich zuspitzenden Katastrophen hinein ins Chaos. Zum Lachen. Doch lachen wir hier über die Clown-Version von Sisyphos, der ewig einen Felsblock statt eines Klaviers bergauf wuchten muss. Hinter dem Slapstick stehen die kleinen Tragödien unseres Alltags, samt der Tücke des Objekts und unserer Mitmenschen. Samt unserem eigenen Unvermögen, mit – frei nach Schiller – des Geschickes Mächten einen ew’gen Bund zu flechten.
«Stan» heisst die jetzt erschienene, überaus einfühlsame und präzis recherchierte Romanbiografie des Iren John Connolly. Der Blick ins Innere des genialen Gag-Virtuosen beginnt mit dessen Karriereende: «Im Oceana Appartment Hotel jagt er, während die letzten Tage anbrechen, Erinnerungsschmetterlingen nach.» In Santa Monica, Kalifornien.
Stan Laurel, eigentlich Arthur Stanley Jefferson, sinnt einem ziemlich korpulenten Schmetterling nach: dem 1957 verstorbenen Oliver Hardy, Spitzname Babe. 106 Filme hat er mit ihm gedreht. Unverdrossen schreibt Stan weiter Sketches für beide ins Geisterreich der verrinnenden Zeit, bis zum eigenen Tod 1965. 1921 hatte der Brite Stan Laurel in Hollywood den Amerikaner Oliver Hardy für einen Film getroffen. Später schrieb Universalgenie Stan Drehbücher, führte oft auch Regie. Die beiden arbeiten hart. Komik ist Präzisionsarbeit, exaktes Timing alles.
«Lache, Bajazzo» – der lustige Clown mit dem traurigen Leben ist ein Klischee, aber auch nicht. Neben Analysen ihrer grossen Kunst lässt Connolly vor dem souverän gestalteten Panorama Hollywoods die beiden Komiker durch die Tragikomödien ihres Privatlebens schliddern. Von den Höhen des Ruhms bis zu den Tiefen des Suffs. Zu Frauen-Verschleiss, Heiraten und Scheidungen in Serie, Reichtum und Pleiten. Laurel war achtmal (zweimal mit derselben Frau), Hardy immerhin dreimal verheiratet. Ein Glücksrezept?
Bewegend schildert Connolly die wahre Liebesaffäre der beiden: die zwischen ihnen – «bis dass der Tod euch scheidet». Bis zum Tod Ollies, nach drei Schlaganfällen. Als Ollie nicht mehr sprechen kann, kommunizieren er und Stan per Mimik und Gestik. Die beherrschen sie ja seit den Stummfilmen, die sie gross gemacht hatten. Als Produzent Hal Roach einmal wegen Suff und rufschädigendem Privatleben Stan feuerte, hielt Ollie eisern zu ihm. In der Traumfabrik, deren Kulturarbeiter oft bös erwachten. Um das Duo herum skizziert Connolly treffsicher Porträts der grossen Komiker damals: Harold Lloyd, Max Linder, Harry Langdon, Buster Keaton und vor allem Charlie Chaplin. Und schildert auch den Niedergang der beiden, als sie von Hal Roach in die grossen Studios kamen. Dort erlagen die Kreativität Laurels und die Improvisationskunst beider allmählich der industriellen Produktion.
Seinen Komikern gewachsen, setzt Connolly Wortpointen wie sie ihre Filmgags. Durch ihn sehen wir sie wieder. Wie Stan kindlich greinend das Gesicht verzieht. Wie Ollie seine aufgeblasene Überlegenheitsmimik hoch- fährt. Wie beide einander öfter verhauen, nach drolligem Schema: Der eine schlägt zu, der andere erträgt es stoisch. Pause. Dann schlägt er zurück. Pause. Und alles von vorn.
Der Künstlername Laurel heisst «Lorbeer». Einen schöneren Lorbeerkranz als den aus den Worten John Connollys für Stan und auch Ollie kann man sich kaum vorstellen.