Balkanisch-jüdisch sei die österreichische Mentalität geprägt, sagt Regisseur Karl Markovics. Sein Regiedébut «Atmen» eröffnet heute die Reihe «Felix Austria» im Kinok, welches im Februar den neuen österreichischen Film ins Zentrum rückt.
Karl Markovics: Also, ich müsste lügen, wenn ich sagte, dass ich da vor Freude in die Luft gesprungen wäre. Für solche Überschwenglichkeiten bin ich schlicht zu alt, und ausserdem war ich schon immer ein eher zurückhaltender, grüblerischer Mensch. Es war in jenem Moment eher eine grosse Befriedigung da, denn ich bin bei «Atmen» mit so einem Gefühl des Wenn-schon-dann-Schon an die Arbeit gegangen. Mir war immer klar, dass ich mit 48 nur einen Film machen kann, der nicht der eines «Jungfilmers» ist, also nicht einer, bei dem die Kritiker sagen: «Ja, das ist ein Regisseur, den man im Auge behalten muss, aus dem kann mal noch was werden.» Das tönt jetzt vielleicht ein bisschen überheblich, aber ich bin überzeugt, dass man in meinem Alter nur noch einen Film realisieren kann, der so aussehen muss, als hätte man zuvor schon ein paar Filme gemacht.
Markovics: In meinem Kopf habe ich eine Reihe von Filmen gemacht, ich schrieb auch eine ganze Reihe von Drehbuchentwürfen und -fragmenten. Die hielten aber alle meiner eigenen Kritik nicht stand. Nun habe ich das grosse Glück, eine Frau zu haben, die mir den richtigen Anstoss im richtigen Moment gab, indem sie mir sagte: «Jetzt schreib' doch einfach einmal eine Geschichte zu Ende.»
Markovics: Das ist so, und ich kann an dieser Stelle noch anfügen, dass meine Frau beruflich nichts mit Film zu tun hat. Sie ist Lehrerin an einer Montessori-Schule – eine Arbeit, die trotz der klaren Strukturen sehr viel mit Kreativität und deren Förderung zu tun hat.
Markovics: Sie liegen da völlig richtig, wenn Sie meinen fehlenden Enthusiasmus bezüglich des Sprechens über den Inhalt von «Atmen» bemerken, dann hat das mit meiner extremen Scheu vor dem Gewesenen zu tun – auch ein fertiger Film fällt in diese Kategorie. Wenn ein Film fertig ist, gehört er dem Publikum, nicht mehr mir. Es gibt lediglich den Moment der Publikumsgespräche, bei denen ich mich wieder anstecken lasse von einer Begeisterung, aber das hat mit dem Phänomen zu tun, dass der Film ja mit jeder Projektion für die neuen Zuschauer wieder ganz frisch ist. Was Ihre Frage des Umgangs mit dem Tod betrifft, so hat das in der Tat mit österreichischer Mentalität zu tun, die stark balkanisch-jüdisch geprägt ist. Und dieses seltsame ethnische Gemisch hat über die Jahrhunderte hinweg eine eigenartige Weltbetrachtung hervorgebracht, die sich unter anderem in dem äussert, was ich eine «Verwitzelung des Todes» nenne.
Interview: Geri Krebs