Wie kurbelt die Verleihung des Schweizer Buchpreises den hiesigen Markt an?
Wer wird das Rennen machen: Die Berner Debütantin Meral Kureyshi oder Dana Grigorcea, beide mit Büchern über Migration und damit von brennender Aktualität? Das ambitionierte Erinnerungsbuch von Ruth Schweikert oder jenes von Monique Schwitter? Oder Martin R. Dean mit seinem Essayband zum Umgang mit dem Fremden?
Eines scheint klar: Wer am 8. November in Basel den Schweizer Buchpreis gewinnt, dem winkt nicht nur die stattliche Preissumme von 30 000 Franken, sondern auch beträchtliche mediale Aufmerksamkeit – und damit ein weiterer Verkaufsschub für das eigene Buch. Das letztjährige Gewinnerbuch «Koala» von Lukas Bärfuss zum Beispiel sprang nach der Preisverkündung auf Platz 1 der Schweizer Bestsellerliste.
Erreicht der Preis also das Ziel, mit dem er vor acht Jahren ins Leben gerufen wurde? Schafft er es, nicht nur den Autor zu fördern, sondern den Umsatz der ganzen heimischen Branche anzukurbeln? Die Branche gibt sich überzeugt. Der Siegertitel gelange fast immer auf Platz 1 der Schweizer Bestsellerlisten und bleibe auch länger in den vordersten Rängen, sagt Dani Landolf vom Schweizerischen Buchhändler- und Verlegerverband, der den Preis zusammen mit dem Verein Literatur Basel ausrichtet.
Allein die Nominierung auf der Shortlist rund sechs Wochen zuvor befördere manchmal einen Titel unter die Top Ten der verkauften Bücher. Der deutsche Fischer-Verlag, der Schweikerts Roman publiziert hat, bestätigt einen «leichten Aufwärtstrend» bei den Bestellungen der Buchhandlungen nach der Nominierung.
Der Hanser-Verlag, ebenfalls aus Deutschland, bei dem zwei bisherige Gewinnerbücher und zwei weitere nominierte Bücher erschienen sind, führt aus: «Die Buchhandlungen bevorraten sich, die Bücher werden im wörtlichen Sinn sichtbar, die Medien berichten, holen gegebenenfalls noch nicht erfolgte Rezensionen nach, es entwickelt sich eine hörbare Diskussion um die Gelisteten.»
Und Matthias Burki vom Schweizer Verlag Der gesunde Menschenversand mit bisher zwei nominierten Titeln betont, der Schweizer Buchpreis sei der einzige Schweizer Preis, den man im Handel merke. «Ein paar hundert» würden die Mehrverkäufe allein durch die Nominierung ausmachen.
Vorbild für den Schweizer Buchpreis ist der Deutsche Buchpreis, der jeweils am Vorabend der Frankfurter Buchmesse vergeben wird. Wie dieser ist der Schweizer Preis mit dem Branchenverband verzahnt und auf den Verkaufsschub ausgerichtet. So steht Werbematerial bei der Nominierung bereit. Aufmerksamkeit verschafft zudem die zweistufige Preisverleihung mit der Shortlist und der Oscar-mässig inszenierten Bekanntgabe des Siegers.
Das vielleicht wichtigste Merkmal ist jedoch die Ausrichtung auf den Sprachmarkt. Sie erleichtert die Kommunikation, auch in Deutschland und Österreich. So gehen die Nominierten über die Landesgrenze hinaus auf Lesetour, in diesem Jahr erstmals gar mit einem Auftritt auf dem Blauen Sofa der Frankfurter Buchmesse, der wohl prominentesten Lesebühne der Welt.
Da sich die Branche mit der Bekanntgabe von absoluten Zahlen bedeckt hält, lassen sich allerdings nur verkaufsfördernde Tendenzen festmachen. Bei der Einschätzung über Bestsellerlisten spielt beispielsweise die Konkurrenz der anderen Titel hinein. Zudem spielt mit, wie lange das Buch schon auf dem Markt ist, wie breit es bereits im Gespräch war oder ob weitere Preise oder Nominierungen verliehen wurden.
Auch das Renommee der Autoren dürfte von Belang sein. Und nicht zuletzt die Zugänglichkeit der nominierten Romane: Ist das Gewinnerbuch zu wenig mehrheitsfähig, kommt es gar nicht erst auf Platz 1 und kann sich auch nicht lange in den vorderen Rängen halten. So könnte es 2009 bei Ilma Rakusa gewesen sein. Oder 2013 bei Jens Steiner.
Die diesjährige Shortlist ist thematisch und vom literarischen Anspruch her bedingt auf ein breites Publikum ausgerichtet. Von den nominierten Büchern hat es seit Bekanntgabe der Shortlist auch noch keines in die Top 20 geschafft.
Ist der Schweizer Buchpreis also eine Erfolgsgeschichte? Klar, ein verkaufsfördernder Preis legt in der Regel den Fokus auf verkäufliche Bücher – um das literarische Unterholz zu pflegen, gibt es andere Auszeichnungen. Was man dem Preis sicher zugutehalten kann: Er bringt Schweizer Literatur ins Gespräch. Wer genau profitiert davon? Der Branchenverband macht keine Aussagen zur Kalkulation von Büchern. Gemäss Erfahrungswerten erhält der Autor grob zwischen 10 bis 12 Prozent vom Verkaufspreis eines Buches, 30 bis 40 Prozent gehen an den Buchhandel, die restlichen Prozente erhält der Verlag.
Doch: Nicht immer bleibt alles Geld in der Schweiz. So wurden sechs der bisherigen Gewinnerbücher in Deutschland oder Österreich verlegt, nur eines stammt aus einem Schweizer Verlag. Und auch nur 11 der bisher 40 nominierten Bücher stammen aus Schweizer Verlagen. Auch dieses Jahr sind drei der fünf nominierten Bücher aus Verlagen in Deutschland beziehungsweise Österreich. (SDA/Vogt-Stiftung)