Operninteressierte, die sich regelmässig vor Premieren zur Matinee einfinden, lassen sich weder vom schönen Wetter noch von der Olma abhalten.
Extreme Wetterlagen eignen sich bestens als faule Ausrede. War die Wahlbeteiligung mal wieder lausig, lag es sicher am Regen oder dem Schneesturm, bei dem man keinen Hund vor die Tür jagt. Oder ein Oktoberhoch hat Hundehalter (und nicht nur sie) in die Berge gelockt – statt an die Urne, ins Museum, zu einem Vormittagskonzert, zum Gottesdienst. Da darf das Theater St. Gallen durchaus stolz sein auf die stattliche Zahl an Operninteressierten, die sich regelmässig vor Premieren an Sonntagvormittagen zur Matinee einfinden. Wie beispielsweise letzte Woche: bei Prachtwetter und obwohl ein paar Schritte weiter die Olma lautstark um Aufmerksamkeit heischt.
So laut, dass Hunde lieber hinter dem Ofen bleiben oder mit ins wesentlich ruhigere Theater kommen, um dort sanft wie ein Bettvorleger auf dem Podium Kostproben aus Verdis «Don Carlo» zu hören und sich wohlig kraulen zu lassen. Wie die Huskydame Pola (benannt nach der Schauspielerin Pola Negri), die Regisseur Nicola Berloffa wegen des Messerummels nicht allein in der Wohnung lassen konnte. Gut erzogen, als sei sie eine langjährige Opernabonnentin, hielt Pola still. Für den Talk rund um Verdis Spätwerk hatte sie einen müden Hundeblick übrig.
Anders das Publikum: fast zweihundert Damen und Herren in den reiferen Jahren, die eine gute Stunde lang viele Clichés widerlegten. Etwa das des Kultur-«Konsumenten». Falsch! Man überfliegt nicht nur schnell vor dem Gong die Inhaltsangabe im Programmheft, um kurz darauf seinem cüplibedingten Aufmerksamkeitsdefizit nachzugeben. Neugier hält jung. So wie es kein schlechtes Wetter gibt, nur falsche Kleidung, und kein zu schönes Wetter für die Kunst, gibt es auch Hunde, die bei Verdi hellhörig werden. Alles eine Frage der Haltung.