«Halt auf freier Strecke» erzählt die beklemmende Geschichte eines unheilbar krebskranken Mannes. Regisseur Andreas Dresen berichtet von erstaunlichen Reaktionen – namentlich von Direktbetroffenen. Geri Krebs
Frank (Milan Peschel), ein vierzigjähriger Familienvater mit zwei Kindern im Alter von 10 und 14 Jahren, erfährt, dass er unheilbar an einem Hirntumor erkrankt ist und dass er nur noch wenige Monate zu leben hat. Zusammen mit seiner Frau Simone (Steffi Kühnert) beschliesst Frank, die kurze Zeit, die ihm noch bleibt, im Kreis seiner Liebsten zu verbringen und nicht im Spital – mit allen Konsequenzen. Ein harter Stoff; Regisseur Andreas Dresen gibt Auskunft, was ihn zu diesem Film bewegt hat.
Andreas Dresen: Weil der Tod zum Leben gehört, und weil es ganz gut ist, sich mit der Endlichkeit unserer Existenz auseinanderzusetzen. Da wir in einer Welt leben, wo wir alle besonders erfolgreich, reich und schön sein müssen, neigen wir dazu, die schmerzvollen Seiten des Lebens wegzudrängen. Aber manchmal kann es ganz gut tun, uns das doch anzusehen. Dies, damit wir vielleicht nicht so überrascht sind, wenn wir plötzlich damit konfrontiert werden. Denn wir können nicht alles kontrollieren. Und wir sind nicht unsterblich.
Dresen: Nein, denn meine Erfahrungen nach dem Kinostart des Films sehen anders aus. Es gab nämlich auch viele Betroffene, die sich den Film angesehen haben.
Dresen: Ja, die gab es – aber es gab zu meiner grossen Überraschung auch Leute, die akut in dieser Situation sind und die den Film unbedingt sehen wollten. Ich bekomme bis heute immer wieder Anfragen von Angehörigen, die in ihrer Familie einen Schwerkranken pflegen und die im Kino meinen Film gesehen haben, dann dem Kranken davon erzählten, und die ihn nun gemeinsam mit ihm ansehen möchten. Offenbar gibt der Film diesen Leuten ein wenig das Gefühl, nicht allein zu sein mit ihrer Situation. Ich habe Rückmeldungen erhalten, dass der Film als ermutigend erlebt wird, weil er letztlich ins Leben zurückweist. Das hat mich natürlich sehr gefreut.
Dresen: Nun, ich kann in solchen Situationen nur sehr begrenzt eine Hilfe sein. Ich bin ein Filmregisseur, der eine Geschichte erzählt hat. Ich bin kein Palliativmediziner, ich kann Angehörigen von Kranken nur den Film zur Verfügung stellen und sie darauf hinweisen, dass es ihre Entscheidung ist, ob sie den Film dem Kranken zeigen wollen. Diese Entscheidung kann ich ihnen nicht abnehmen. Letztendlich ist es doch so: Man setzt einen Film in die Welt, und wie er im einzelnen auf die Menschen wirkt, kann ich ja nur erleben, wo ich im Kinosaal dabei bin.
Dresen: Die gibt es, denn man fängt einen derartigen Film nicht an, ohne ein gewisses Gefühl im Körper zu haben, das mit Abschied und Verlust zu tun hat. Konkret hiess das bei mir: Ich hatte eine Trennung hinter mir, es ging mir nicht gut, und es gab in meinem Freundeskreis vermehrt Todesfälle – ich gehe jetzt auf die fünfzig zu, da bleibt das nicht aus. Und im Gespräch mit Freunden fragt man sich als Filmer irgendwann, warum es im Kino, wo doch so oft gestorben wird, kaum eine ernsthafte Auseinandersetzung mit Sterben und Tod gibt.