Kuckuckskind auf der Konstanzer Bühne

Neil LaBute schickt mit seinem Stück «Eine Art Liebeserklärung» eine Mittvierzigerin in die Vergangenheit. Schuld spielt dabei eine Rolle, aber auch die Sehnsucht nach Liebe. Ein instabiler Schwebezustand, auch auf der Bühne am Theater Konstanz.

Brigitte Elsner-Heller
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Anne Simmering füllt mit ihrem Monolog der gespaltenen Faye den Theaterabend Konstanz mühelos. (Bild: Ilja Mess)

Anne Simmering füllt mit ihrem Monolog der gespaltenen Faye den Theaterabend Konstanz mühelos. (Bild: Ilja Mess)

Da sage noch einer, Musik sei kein wesentliches Element auf einer Theaterbühne: «Eine Art Liebeserklärung», dieser eigentümliche Monolog, den der amerikanische Dramatiker Neil LaBute Faye in den Mund legt, beginnt mit dem Soul-lastigen «If ever I would leave you», einer aus Verzweiflung erwachsenen Liebeserklärung. Und gegen Ende drängt sich hochemotional Richard Strauss’ Salome zwischen die Zeilen des Monologs. «Ah, ich habe ihn geküsst, deinen Mund. Hat es nach Blut geschmeckt? Nein. Doch es schmeckte vielleicht nach Liebe.»

Und während die ausdrucksstarke Anne Simmering als Faye die in Soul geborgene Trauer noch selbst intoniert, ist diese Stimme nach einer Stunde mit der Anleihe bei der liebend mordenden Salome versiegt, die grosse Oper kommt als kurzer, schmerzlicher Stich aus dem Off. Mit «Eine Art Liebeserklärung» hat Neil LaBute ein weiteres Mal die tausend Schattierungen thematisiert, die sich in zwischenmenschlichen Beziehungen zeigen – vor allem auch in der Liebe, die gleichzeitig schützt und schutzlos macht.

Wie schwer wiegt Schuld, was ist Liebe, was Kalkül?

Faye ist gefangen in ihren Erinnerungen. Dass die Affäre der Lehrerin mit ihrem Schüler Tommy weit zurückliegt, wird erst langsam deutlich. Anne Simmering, eben noch die Mittvierzigerin, wandelt Faye zur begehrenden Frau, die ihr Selbstbewusstsein aus der Liebe zu Tommy schöpft. Nicht, dass sie Eric, ihren Mann, nicht liebte. Doch hier ist etwas anders, und dann stellt sich die Schwangerschaft ein, die mit Eric nicht geglückt war. Tommy wie auch Eric werden zu Figuren, die es auf dem Spielfeld zu verschieben gilt. Und heute ist die Tochter ein Teenager. 2800 Gramm wog diese Schuld bei ihrer Geburt.

Anne Simmering füllt den Abend mühelos. Sie findet die Nuancen, um in der Schwebe zu halten, welches Urteil man fällen soll über dieses Leben und auch das der anderen. Dass Neil La­Bute auch ein gerüttelt Mass an Kritik gegenüber der amerikanischen Gesellschaft anbringt, mag politisch korrekt sein. Dennoch sind Eric und Tommy im Text schwach repräsentiert, sie bleiben farblos. Die Regie vermag es mit den projizierten Videoaufnahmen nicht, die Bühnenpräsenz von Anne Simmering zu steigern – sie vermag es auch ohne technische Verbrämung voll und ganz da zu sein. Dazu kann schon reichen, dass sie sich einfach durchs Haar streicht.