Kaum je war die Stimmung so ausgelassen, die Musik so inspirierend wie an der zehnten Ausgabe des Festivals in Frauenfeld. Die unbestrittenen Stars waren Pepe Lienhard mit seiner Big Band und der Däne Mike Andersen.
Zwei Frauen tanzen lächelnd und versunken vor der Bühne, zwei Paare drehen ihre Jive-Runden, ihrer werden immer mehr – Blues steckt an. Dabei ist es erst früher Freitagabend. Der junge Genuese Dany Franchi spielt mit seiner Band erstmals in der Schweiz und setzt ganz auf seine Gitarrensoli: sauber, selbstverliebt, die Rüegerholzhalle hat er mit seinen Boogies bald im Sack.
Die Hammond-Orgel bleibt auf der Bühne. Raphael Wressnig macht ganz auf Show, klemmt auch mal die Pedale fest und rennt auf den Steg, erntet Lacher und Applaus; stark und präsent auch Gastsängerin Gisele Jackson aus Baltimore. Die ausgelassene Stimmung am Freitagabend kann das Quartett um den Gitarristen Jimmy Reiter nicht ganz halten. Ihr Gig setzt nicht auf Show, ist zwar ehrlich, aber uninspiriert, die Arrangements gleichen einander. Doch nach elf Uhr dreht die Band nochmals auf, die halbe Halle tanzt oder wippt mit den Füssen. Nur ein Paar sieht sich den ganzen Abend kaum je an.
Der Samstag hat es in sich. Fast ausverkauft, die Autokennzeichen stammen aus der halben Schweiz. Headliner ist Pepe Lienhard, Bandleader, Wahl-Frauenfelder und just an diesem Abend feiert er seinen 73. Geburtstag. Doch zuvor geben sich Rosedale um die Sängerin Amandyn Roses redlich Mühe, Stimmung in die Festhalle zu bringen. Rasant und routiniert steigen sie mit Bluesrock ein, bleiben weitgehend auf der rockigen Seite. Die Zuhörer zögern, brauchen ein «Come on» der Sängerin. Niemand tanzt. Ein unkonventionelles Schlagzeugsolo und ein zerdehntes Solo des leidenden Gitarristen, schwache Texte neben Konzeptartigem à la Pink Floyd. Mager.
Dann entert Pepe Lienhard die Bühne. Strahlt übers Gesicht. Hat Stil, steckt im dunklen Anzug wie die Profis vor ihm. Seine Big Band bietet eine perfekte Show, die nie nach Routine riecht. Das gute Dutzend Stücke wählt Pepe Lienhard gezielt aus: Der Blues ist die Wurzel allen Jazz. Auf eine Komposition von Duke Ellingtons Sohn Mercer folgt der Evergreen «Sweet Georgia Brown», und bei Count Basies «One O’Clock Jump» sind die Tänzer wieder zurück. Die Sängerin Dorothea Lorene wird mit Jubel begrüsst, alle staunen bei «I’m Gonna Go Fishin’» im Dreivierteltakt, nicken Sänger Kent Stetler zu bei «Let The Good Times Roll», und beim «St. Louis Blues» wird die Tanzfläche knapp. Weitere Klassiker wie «In The Mood» folgen bis zum Schlussakkord mit Benny Goodmans «Go, Baby, Go».
Die Latte liegt hoch für den Hünen Mike Andersen, der vor drei Jahren schon in Frauenfeld war. Doch der Däne hat für seine Show eine neue und hervorragende Band zusammengestellt. Er zupft, singt und schreit, gibt sich offen für Jazz, Americana, Soul. Auch Andersen ist ein Showman, aber einer mit Schalk: «Beim nächsten Stück stehen immer alle auf und tanzen.» Und er hat recht, bis zu den Zugaben.