Es ist eine Weile her, begonnen hat die Reise im Jahr 2012. Erste Station war Rapa Nui, die Osterinsel weit draussen im Pazifik. Der «Atlas eines ängstlichen Mannes», der davon berichtet, ist mit 456 Seiten nicht übermässig umfangreich, er könnte also längst zu Ende gelesen sein.
Es ist eine Weile her, begonnen hat die Reise im Jahr 2012. Erste Station war Rapa Nui, die Osterinsel weit draussen im Pazifik. Der «Atlas eines ängstlichen Mannes», der davon berichtet, ist mit 456 Seiten nicht übermässig umfangreich, er könnte also längst zu Ende gelesen sein. Doch ich bin erst auf Seite 146 und habe auf dem Mekong eben einen Bootsmann und seinen Sohn getroffen. Dieses Buch ist zu schade, um in einem Zug gelesen zu werden. Es bietet sich an zum gemächlichen Lesen.
Der österreichische Schriftsteller Christoph Ransmayr erzählt siebzig Episoden aus allen Teilen der Welt. Wahre Episoden an Orten, an denen er gelebt, die er bereist oder durchwandert habe, wie er im Vorwort schreibt. Da formuliert er auch den schönen Satz, der als Kurzformel allen literarischen Tuns gelten kann: «Geschichten ereignen sich nicht, Geschichten werden erzählt.»
Die siebzig Miniaturen fangen alle mit einer Beobachtung an, mit dem Satz «Ich sah…» In Brasilien sah Ransmayr einen kahlgeschorenen Greis, in Sevilla einen schwarzen Kampfstier, in San Diego einen gestürzten Kellner, auf Neuseeland einen jungen Königsalbatros. Mit diesen Beobachtungen holt Ransmayr den Leser nahe zu sich heran, um dann gemeinsam mit ihm einzutauchen, gemeinsam zu staunen über das vielfältige, faszinierende, beglückende, aber auch traurige Leben auf diesem Planeten. Das Buch kartographiere Leben und Sterben, Glück und Schicksal der Menschen, heisst es im Klappentext. Was für eine sinnliche und poetische Weltkarte!
Christoph Ransmayr: Atlas eines ängstlichen Mannes, S. Fischer