Die Strasse der Widerspenstigen

Neben dem Schauspiel und dem Musical-Genre schätzt man auf der Theaterbühne auch Zirkus. Wieder aufgenommen wurde gerade «Katharina Knie». In der Lokremise gastiert ab Dienstag als Nouveau Cirque «Strada», nach Federico Fellini.

Brigitte Schmid-Gugler
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Spektakel mit Artistik und heftig-derbem Liebesreigen: «Strada» kombiniert Zirkus mit Schauspiel. (Bild: pd)

Spektakel mit Artistik und heftig-derbem Liebesreigen: «Strada» kombiniert Zirkus mit Schauspiel. (Bild: pd)

ST. GALLEN. Der Circus Knie ist in seinem Winterquartier. Doch Katharina Knie, die Protagonistin in Zuckmayers Bühnenstück, ist alleweil auf dem Seil: Das Stück, in der letzten Spielzeit am Theater St. Gallen aufgeführt, erlebt gerade eine Wiederaufnahme. Mitinszeniert hatte das interdisziplinäre Stück der Schauspieler und Produzent Michael Finger mit seinem Ensemble Cirque de Loin. Nun wird er mit seiner Truppe in der Lokremise zu Gast sein. Gemeinsam mit der deutschen Kompanie Headfeedhands und der aus Frankreich stammenden Truppe Mauvais Coton hat er Federico Fellinis Klassiker «La Strada» für die Bühne bearbeitet. Das Spektakel mit viel Artistik und Livemusik feierte im Oktober in Freiburg im Breisgau Premiere.

Der an diesem Abend als Sänger auftretende Michael Finger, zusammen mit Günter Klingler, dem Gründer von Headfeedhands, verantwortlich für die künstlerische Leitung, ist der Star von «Strada». Das Highlight des Abends. Verführerischer Schwerenöter, lasziver Beschwörer und Tom-Waits-Verschnitt in einem. Ohne seine wummernd-trashigen Songs dümpelt der Abend, wie auch im Seiltanzstück der «Katharina Knie», in einer Aneinanderreihung von Artistennummern. Der Versuch, Schauspiel und Zirkus zu verflechten, ist ein Hochseilakt und gelingt auch in «Strada» nicht wirklich.

Schwer übertragbar

Es hilft, wenn man die Filmgeschichte kennt. Doch wer kennt sie nicht – Anthony Quinn und Fellinis Ehefrau Giulietta Masina in den Hauptrollen des 1954 erschienenen Films um einen Wanderzirkus. Die «Welt voller Leidenschaft und Sehnsucht», wie sich die Co-Produktion von «Strada» ankündigt, beginnt – auch das erinnert an «Katharina Knie» – bereits im Foyer. Hier gibt Artist und Zampano Peter Weyel ein paar Jonglagen zum Besten.

Dem Schein nach spontan greift er sich eine Frau aus dem Publikum, um ihm bei seinen unglückselig verpatzten Zaubereien zu assistieren. Die Stumme, Scheue, Geheimnisvolle, man begreift es schnell, gehört dazu und zieht ihn dann kurz darauf auch prompt samt Leiterwagen in den offenen Bühnenraum, gefolgt vom Publikum. Gut zu wissen, dass es sich bei dieser Adaption einer Gelsomina um die französische Artistin und Musikerin Katell Boisneau handelt, die leider kaum etwas von ihren vielfältigen Talenten ausleben darf. In der Rolle der herumkommandierten Gehilfin Zampanos und ihrem langsam erwachenden Selbstbewusstsein bleibt sie eher schattenhaft. Die Manege ist eine runde, unten gegen die Mitte hin kegelförmig zugespitzte Plattform, auf der, wie auch sonst an manchen Ecken, an der Lebens-Groteske herumbalanciert, jongliert und kopuliert wird. Viel nackte Haut, viele gelenkige Körper, viel atemberaubende Dynamik in den Nummern, aber doch auch immer wieder die Frage: Ist das nun «Strada» oder einfach eine lukullisch geschichtete Crèmeschnitte?

Professionelle Artistik

Der Cirque de Loin setzt sich wie die Truppen von Headfeedhands Mauvais Coton zusammen aus einem Amalgam internationaler Strassen- und Zirkusartisten, Musikern und Schauspielern. Alle weisen beeindruckende Biographien vor. Und es liegt sicher nicht an der Qualität der jeweiligen Nummern – die Artisten sind formidabel –, sondern einfach an diesem stolpernden narrativen Überbau, dass es einem während der pausenlosen knapp zwei Stunden nicht wirklich warm ums Herz wird. Doch die Band mit ihrem Leader Michael Finger, ausgestattet mit Wildkatzenmuster-Leggins, Pelzmantel und einer Art Käppi oder Dutt, die sowohl ein Indiz für religiöse oder andere Artverwandtschaften sein könnten, läuft zur Hochform auf.

Lokremise St. Gallen: 8., 9., 10. und 12. Dezember, 20 Uhr