Patti Basler ist zurzeit einer der bekanntesten Satirikerinnen der Schweiz. Im Mai erhält sie den Salzburger Stier 2019 und wäre gerne «die Frau des Jahrzehnts», wie sie unbescheiden sagt
Sie ist nicht mehr zu überhören. Bei SRF1 hat sie die Satiresendung «Die dargebotene Faust», in der «Arena» ist sie Instant-Protokollantin, in Michael Elseners Abendshow die Aussenreporterin. Sie moderiert haufenweise Formate und hat mehrere Kolumnen in Magazinen. Daneben tourt sie nach «Frontalunterricht» (2016) mit ihrem neuen Kabarettprogramm «Nachsitzen» durch die Schweiz.
Vor einer Vorstellung im Kleintheater Luzern ist Patti Basler für ein Gespräch nicht zu haben, keine Zeit. Da wird hinter den Kulissen «gechüderlet» und «eingegroovt» mit Musiker Philippe Kuhn. «Wir brauchen die Zeit für unser Vorispiel, Philippe und ich», sagt Patti Basler, immer gerne zweideutig. Auf der Bühne gehe es dann richtig zur Sache mit dem Mann, der mit ihr gemeinsam das neue Programm einstudiert hat und mit dem sie in einer «eingetragenen Bühnenpartnerschaft» lebt, wie sie es nennt.
Es ist der Abend nach den Zürcher Wahlen und kurz nach Theresa Mays Rücktrittsankündigung. Das Kleintheater ist voll besetzt und Patti Basler lässt nachsitzen. Natürlich inklusive Anspielungen auf alle Aktualitäten und natürlich auch nicht ohne einige Lehrblätze. Die 42-Jährige mit Schuhgrösse 43 hält dabei, was sie verspricht. In zwei Lektionen gibt Basler Nachhilfe in Biologie, zum Thema Gender und Gene oder zur Aufzucht von Kindern und Bambus. Alles an der Seite von Philippe Kuhn, der als taktvolles gutes Gewissen am Flügel. Und Patti Basler teilt aus. Gegen Nestlé, gegen die GLP und Guy Parmelin, gegen die Juso und vor allem gegen die SVP. Sie wechselt von Satire zu Ernst, kokettiert, redet sich in Rage. Sie macht einem die Cervelats madig – die Phallusse für Mutter Helvetia – und redet das Jassen ordinär. Sie singt und slamt und hält ganz ernste Ansprachen. Samthandschuhe trägt sie nie.
«Ich habe ein starkes Sendungsbewusstsein und sehe es als meinen Dienst an der Menschheit an, sie aufzuklären.»
Sie wolle ihre Überzeugungen, ihre Überlegungen und ihre kruden Gedankengänge weitergeben. Der Antrieb? «Ungerechtigkeit.» Dass sie dabei auf der Bühne fast in Rage gerät, sei eher der Dramaturgie als ihrem Wesen geschuldet. Privat sei sie das Gegenteil von aufbrausend. Ihre Schlagfertigkeit kommt eher tiefenentspannt daher.
Vor zehn Jahren hat Basler das erste Mal vor Publikum geslamt, 2013 als Lehrerin den Bettel hingeschmissen und 2015 hat sie ihre 22 Semester Studium abgeschlossen. «Danach hab ich den Fuss von der Bremse genommen», so Basler. Seither hat sie reihenweise Poetry Slam-Preise abgeräumt, wurde als «Best of KTV-Börse« ausgezeichnet und im Mai erhält sie den Salzburger Stier, den renommiertesten Kleinstkunstpreis im deutschen Sprachraum. Mit dem Titel «Frau der Stunde» ist Basler trotzdem nicht einverstanden. Nicht aus falscher Bescheidenheit jedoch. «Frau des Jahrzehnts fänd ich passender», sagt sie ohne zu Zögern. «Das wäre auch lohntechnisch besser.»
Basler weiss um ihr Fachwissen, ihr Talent für die Sprache und die ungewöhnlichen Leistungen ihrer Gehirnwindungen. Und trotz allem hat die Lehrerin und Erziehungswissenschafterin aka «gelernte Besserwisserin» erstaunlicherweise nichts Überhebliches an sich. Sie lächelt bei Komplimenten nicht demütig und winkt verlegen ab, ausser sie macht gerade den Clown.
So auch nach dem Applaus, beim Glas Wein an der Bar. Sie imitiert zwar gerne, doch auf der Bühne spiele sie keine Rolle. «Patti Basler ist 100 Prozent ich – einfach ohne das Private.» Denn das bleibt bei ihr ganz klar privat. Mehr als ein klein bisschen über ihre Herkunft als Bauerntochter im Fricktal, ihren dichtenden Vater und ihren frühesten Berufswunsch verrät sie nicht. «Schnitzelbänklerin» sei der als Kind gewesen. Und auch später war Fasnacht ihre Leidenschaft. Monatelang habe sie sich darauf gefreut, mehr Kostüme gebastelt und Nummern vorbereitet, als es Fasnachtstage gibt. Das ist vorbei. «Heute lebe ich all das auf den Bühnen aus.» Ein Vorteil für ihre Freunde, meint Basler: «Jetzt müssen die zu Hause weniger dran glauben.»
Daran glauben müssen oder dürfen dafür ihre Follower und andere «Betroffene» in den sozialen Medien. Dort ist Basler praktisch omnipräsent, twittert und postet über aktuelles Geschehen, nimmt sprachliche Unsauberkeiten auseinander, politisches und gesellschaftliches Unrecht.
«Ich nenne es digitale Logorrhö. Oder auch schlicht eine Sucht.»
Oft müsse es einfach raus und dann haue sie in die Tasten. Und füllt dabei in Diskussionen ganze Kommentarspalten. «Es macht mich einfach wahnsinnig, wenn Menschen mir nicht glauben», so Basler. Wenn Fakten und Kompetenzen in Frage gestellt würden und vor allem auch, wenn sie dann persönlich und als Frau angegriffen werde. Obwohl sie ja keine typische Frau sei, hat Basler bereits den nächsten Spruch bereit. «Ich bin Frau und ich bin egoistisch – das ergibt dann feministisch». Danach einer ihrer seltenen Lacher.
In der Schweiz gibt es kaum mehr Steigerungspotenzial für Patti Basler. Sie könnte noch mehr aufs Fernsehen setzen. Sie winkt ab. Mit eigener Fernsehsendung werde man leider schnell zum Prügelknaben der Nation, so Patti Basler. Zudem mache es ihr auf der Bühne definitiv mehr Spass.