Gestandene Autoren in Bestform und eigenwillige neue Stimmen prägten das bald vergangene Literaturjahr. Unsere Kulturredaktion hat in drei Kategorien jene zehn Bücher gewählt, die 2018 obenaus schwangen und die zu lesen sich auch 2019 lohnt.
Es war ein starkes Jahr für die Schweizer Literatur. Bereits im Februar legte Peter Stamm mit seinem neuen Roman «Die sanfte Gleichgültigkeit der Welt» einen fulminanten Auftakt hin. Das neue Buch war noch besser als seine vorherigen. Peter Stamm griff das Thema seines Erstlings «Agnes» auf, schaffte es, ihm neue Facetten abzugewinnen und schuf einen verschachtelten Text, der zugleich schlicht war und in seiner Vielschichtigkeit leuchtete. Damit stand der Favorit für den Schweizer Buchpreis bereits zu Beginn des Jahres fest. Peter Stamm gewann aber nicht nur diesen Preis, er wurde auch mit dem diesjährigen Solothurner Literaturpreis geehrt, und er stand als einziger Schweizer auf der Longlist für den Alternativen Literaturnobelpreis, der dieses Jahr einmalig vergeben wurde. Keine Frage also, wem das Krönchen der Schweizer Literatur 2018 gehört.
Aber Stamm war lange nicht der einzige grosse Schweizer Autor, der im vergangenen Literaturjahr in neuem Glanz erstrahlte. Arno Camenisch legte bereits Anfang Januar mit «Der letzte Schnee» ein Büchlein in bekannter Camenisch-Manier vor, das jedoch um einiges kompakter war und mehr Tiefgang hatte als seine letzten Bücher. Dann kamen Lukas Hartmann mit «Ein Bild von Lydia» und Altmeister Adolf Muschg mit «Heimkehr nach Fukushima». Vor allem aber im Sommer folgten mit Alex Capus («Königskinder»), Milena Moser («Land der Söhne») und Thomas Hürlimann («Heimkehr») gestanden Autoren mit starken neuen Werken: Thomas Hürlimann nach zwölf Jahren mit einem Lebensbuch, an dem er zwanzig Jahre gearbeitet und ihm so nahezu die ganze Kulturgeschichte einverleibt hat, Milena Moser mit bisher unerreichtem langem Atem und erzählerischer Kraft in ihrem ersten Roman aus den USA und Alex Capus mit einem schmalen Buch über das Damals und Heute, über die Liebe und über das Erzählen.
Ein Sahnehäubchen setzte schliesslich Peter Bichsel mit dem Gesprächsband von der Kulturjournalistin Sieglinde Geisel («Was wäre, wenn?») der literarischen Jahreslese der Grossen auf. Er, der für sich die Berufsbezeichnung «Sentimentalist» wählen würde, giesst aus dem Stegreif fast mit jeden Atemzug Gedanken in Sätze, die man sich an die Wand malen möchte.
Die eigentliche Stärke und die Erneuerungskraft der Schweizer Literatur zeigt sich jedoch in den neuen Stimmen. Bereits im vergangenen Jahr liess Julia Weber aufhorchen. Sie hat sich mittlerweile als feste Grösse der neuen Schweizer Literatur etabliert. Ihr Mann, Heinz Helle, war dieses Jahr mit seinem dritten Roman («Die Überwindung der Schwerkraft») bereits zum zweiten Mal für den Schweizer Buchpreis nominiert. Zusammen mit Gianna Molinari, die mit ihrem Debüt («Hier ist noch alles möglich») ebenfalls auf der Shortlist für den Preis stand, lässt sich hier vielleicht der Kern einer zeitgenössischen Künstlerfreundschaft erkennen.