Der Süden fängt hinter Wil an

Nicht den Süden selbst thematisiert Harlis Schweizer, sondern die Abwesenheit von Süden. In der Kirchberger Galerie Schönenberger sind neun Ölbilder zu sehen, die auch einen neuen Malstil der St. Galler Künstlerin anzeigen.

Martin Preisser
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Das St. Galler Quartier St. Georgen mit ein wenig französischem Flair: Harlis Schweizer vor einem Bild ihrer Serie Limelight. (Bild: Martin Preisser)

Das St. Galler Quartier St. Georgen mit ein wenig französischem Flair: Harlis Schweizer vor einem Bild ihrer Serie Limelight. (Bild: Martin Preisser)

KIRCHBERG. Die Arbeiten der Serie «Limelight» (Rampenlicht) sind bereits als Teil eines Projekts 2016 im Vaduzer Kunstraum Engländerbau geplant. Vier Kunstschaffende nehmen sich dann des Themas Himmelsrichtungen an. Die St. Galler Künstlerin Harlis Schweizer bekam den Süden zugeteilt. Den kennt sie gut, auch weil sie durch ihre südfranzösische Mutter immer wieder das Licht, die Farben und die Atmosphäre der Mittelmeerlandschaft erleben kann. Aber sie könne nie in Südfrankreich malen, gesteht Harlis Schweizer, Inspiration bekomme sie hier, in der Ostschweiz. Und die neun Limelight-Arbeiten zeigen denn auch nicht den Süden, sondern eher den «Anti-Süden».

Nass und verwischt

Die Künstlerin malt, meist nach spontanen Fotografien aus der sicheren «Hülle» eines Autos heraus, Szenen aus der Ostschweiz, Augenblicke, in denen die Ferne des Südens fühlbar wird, in denen das Nass und das Grau auf vielen Arbeiten gerade die Abwesenheit von Licht und Wärme unterstreichen. Ein wenig Aufbruchstimmung hat das Ölbild «suchen.ch», ein Moment auf der Autobahn hinter Wil Richtung Münchwilen. Hier schaut man aus dem Auto etwas sehnsüchtig auf einen Himmel, der irgendwie Süden verheisst.

Ansonsten sind viele Bilder dunkel, unscharf, nass, verwischt. Und besonders gelungen: Sie scheinen in einer Art Schwebezustand von Dämmerung, in einem Moment des Übergangs der «Blauen Stunde».

Wer Harlis Schweizers bisheriges Schaffen kennt, dürfte von den Limelight-Arbeiten überrascht sein. Das Plakative, die oft scharf umrissenen Formen und Perspektiven früherer Arbeiten fehlen ganz. Die Bilder fliessen mehr, sie wirken offener. Seien es Momente auf Autobahnen, sei es der sehr leere Bellevueplatz in Zürich oder der Blick aus einer letzten Gondel auf einen Schneehang. Ein wenig Düsternis stellt sich ein oder auch Verlorenheit, auf gar keinen Fall aber irgendeine Form von Landschaftsidylle.

Kühle Ostschweiz

Sehr gekonnt geht Harlis Schweizer mit dem wenigen Licht auf diesen Augenblicken der Dämmerung, des Weggehens von Helligkeit um. Bewusst gibt es auf vielen Bildern klare Lichtkörper wie Schilder, Laternen oder Scheinwerfer, die die Szene manchmal geheimnisvoll ausleuchten. Wie inspirierend der eigene Lebensmittelpunkt für die Künstlerin ist, zeigen die gelungenen Arbeiten aus St. Galler Quartieren. Bei Blicken auf Riethüsli oder St. Georgen schleicht sich – fern vom hellen Südfrankreich – dennoch ein wenig französisches Flair ein, so, als könne man den Süden auch in der kühleren Ostschweiz nicht ganz vergessen. Eine schöne Arbeit ist auch der Blick auf den St. Galler Wenigerweiher. Wiederum aus dem Auto gesehen, scheint hier durch die grossen Regentropfen alles in nasser Auflösung. Unschärfe wird erneut zum Thema. Die Ausstellung «Limelight» gewährt Blicke auf einen neuen Stil von Harlis Schweizer und löst Sehnsucht nach dem aus, was es hier nicht gibt: belebte Plätze, Licht und Wärme.

Bis 29. März. Galerie Schönenberger (Florastr. 7); Sa + So, 14–17 Uhr; www.galerie-schoenenberger.ch