Nicht recht bei Trost sind die Insassen und ihre Besucher in Felix Mitterers melancholischem Einakterreigen «Besuchszeit». Café Fuerte spielt im Palais Bleu Trogen hautnah, auf engstem Raum.
Dumpf fällt die schwere Tür ins Schloss, dann ist es still. So still, dass in der folgenden Viertelstunde jede Pointe hochwillkommen sein wird. Jede Beschränktheit aus einem tristen Eheleben, die sich in diesem klaustrophobisch engen Raum Luft machen wird, gibt Gelegenheit, wider besseres Wissen zu lachen – und dabei für eine Sekunde oder zwei auszubrechen aus den beklemmend engen vier Wänden.
Knapp vierzig Zuschauer sitzen auf winzigen Klapphockern. Mehr haben nicht Platz im «Besuchszimmer» der Strafanstalt. Dort wartet die Verbrecherin aus dem gleichnamigen Einakter von Felix Mitterer auf ihren Ehemann: stocksteif, mit gefrorener Miene, fast unmerklich zitternden Händen. Nach Jahren lieblosen Nebeneinanders hat sie in einem Anfall von Verzweiflung mit dem Küchenmesser auf den Gatten eingestochen. Der Dialog, mehr Anklage als Aussprache, lässt nur zu deutlich ahnen, was sie dazu getrieben hat.
Unbarmherzig leuchtet die Neonröhre an der Decke das emotionale Elend aus, die virtuose mimische Sparsamkeit Kristine Walthers, die Unbehaglichkeit beim Zuschauen. Regisseurin Danielle Fend-Strahm lässt das kalkuliert zusammenspielen, setzt es in Wechselwirkung zueinander.
Die vier aufeinanderfolgenden Schauplätze im Souterrain des Palais Bleu nehmen das Publikum mit aufs Abstellgleis, von Zwangsanstalt zu Zwangsanstalt: ins Altersheim, ins Gefängnis, ins «Narrenhaus», in die Klinik. Endstation ist die Flucht eines dunklen Kellergangs. Dort werden die vier Insassen und ihre Besucher noch einmal sekundenkurz auftauchen. Willentlich oder nicht, im Kopf nimmt man sie mit.
«Besuchszeit» entstand als Stück aus vier einzelnen Hörspielen, die der Tiroler Dramatiker Felix Mitterer Ende der 1970er-Jahre im Auftrag des ORF geschrieben hat. Den Dialogen ist anzumerken, dass sie aus Schilling-Zeiten stammen. Der Weltkrieg bebt noch nach bei den entmachteten Königen des Altersheims; der Bauboom fordert neue Opfer, Serien wie «Dallas» sind Opium der duldsamen Hausfrau. Dieser Retro-Charme erleichtert das Lachen über die himmeltraurige Einsamkeit und Lebensmüdigkeit, die Tobias Fend und Kristine Walther von Raum zu Raum immer grösser werden lassen und zugleich immer differenzierter: in heftigen Ausbrüchen ebenso wie in ratlosem Schweigen.
Als Spielmann geleitet Florian Wagner mit Cello, Akkordeon und Gitarre durch die Veranstaltung des Daseins in vier Akten. Nach der sich jeder Schritt in Freiheit grossartig anfühlt, und jeder Mensch, der zuhört und versteht, wie ein Geschenk.
Weitere Vorstellungen: 22.9., 19 Uhr, 23.9., 17 Uhr, Palais Bleu Trogen