Der Garten ist auch ein Kunstort

Die Ausstellung «Umschlungen von Kobalt, Purpur und Efeugrün» im Botanischen Garten zeigt Leintücher und Teppiche, die von Pflanzenmotiven der Umgebung inspiriert sind – und mit der Symbolik von Kunst und Natur spielen.

Beda Hanimann
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Ein Teppich wie ein Birnbaumblatt, bemalte Leintücher: Blick in die Ausstellung im Botanischen Garten. (Bild: Hanspeter Schiess)

Ein Teppich wie ein Birnbaumblatt, bemalte Leintücher: Blick in die Ausstellung im Botanischen Garten. (Bild: Hanspeter Schiess)

Sogar die Katze unter dem Tisch, mit verdreckten Pfoten herangeschlichen, lacht. Um den Gartentisch sitzt eine Gruppe Menschen, darauf Käse, Fisch, Wein, Früchte, ein Buch mit dem Titel «Die Freundschaft». Einer spielt Gitarre, unten eine kleine Inschrift: «Was für ein wunderbarer Tag». Die Szene ist von Efeu umrankt. Efeu, das ist das Symbol für Freundschaft und Treue über den Tod hinaus, für Unsterblichkeit. Der Efeu, auch wenn er abgestorben ist, hält sich, wo er sich einmal festgesetzt hat.

Zeugen und sterben

Das ist eines von Jeanette Freis Lebenstüchern, die derzeit im Botanischen Garten in der Ausstellung «Umschlungen von Kobalt, Purpur und Efeugrün» zu sehen sind. Die Vorarlbergerin hat alte Leintücher bemalt und beschriftet, inspiriert von Pflanzenmotiven aus dem Botanischen Garten. Efeu, Knabenkraut, Kornblume, Granatapfel, Erdbeere oder Herbstzeitlose gaben mit ihrer Symbolik die Themen vor, es geht um Liebe, Freundschaft, Fruchtbarkeit, Tod, Freude, Vergänglichkeit und Mühsal. Elf pastellen-lichte Leintücher hängen da, auch sie von wunderbarer Symbolhaftigkeit wie die Pflanzen: Auf Bettlaken spielen sich wesentliche Stationen des menschlichen Lebens ab, von er Zeugung bis zum Sterben.

Während Leintücher für die Nachtsphäre der menschlichen Existenz stehen, repräsentiert der Teppich den Grund, auf dem wir uns tagsüber bewegen. Ihm hat sich die in St. Gallen geborene und ebenfalls in Vorarlberg lebende Maria Baumschlager-Dünser angenommen. Sie hat sich für ihre Teppiche die Ornamentstruktur der Blattrippen von Flamingoblumen, ein verfärbtes Birnbaumblatt oder die von der Frühlingssonne bereits durchlöcherte Schneedecke einer Märzwiese zum Vorbild genommen. Man möchte am liebsten barfuss drauf treten – und realisiert, wie viel die Natur mit ihren Farben, Flächen, Ornamenten und Faserstrukturen der Teppichknüpfkunst vorgegeben hat.

Natur und Kunst im Einklang

Die Leintücher und Teppiche der beiden Vorarlbergerinnen sind ergänzt mit Informationen zu Botanik und Symbolik der Pflanzen. So stehen sich Natur und Kunst nicht als sich ausschliessende Pole gegenüber, sondern werden als stimmiges Ganzes fassbar, das zum Menschsein gehört. «Umschlungen von Kobalt, Purpur und Efeugrün» ist eine wunderbar sinnliche und tiefgründige Ausstellung: ein Gang durch einen Garten, der auch ein Gang durch ein Museum ist.

Ausstellung im Botanischen Garten St. Gallen. Bis 3. August sowie 4. September bis 7. Oktober, täglich 9–17 Uhr.