Der deutsche Comedian Hape Kerkeling ist auch ein äusserst erfolgreicher Autor. Sein Buch «Der Junge muss an die frische Luft» über seine Kindheit wurde nun verfilmt.
In seinem Reisebericht «Ich bin dann mal weg – Meine Reise auf dem Jakobsweg» nahm Entertainer Hape Kerkeling die Leserschaft mit auf seine Wanderung auf dem Jakobsweg. Die Sinnsuche auf Schusters Rappen avancierte zum Bestseller, auch die Verfilmung fand grossen Anklang. Nun wurde auch Kerkelings Lebensabschnitts-Biografie «Der Junge muss an die frische Luft – Meine Kindheit und ich» fürs Kino adaptiert. Für die Regie konnte keine Geringere als die Oscar-Preisträgerin Caroline Link («Nirgendwo in Afrika») verpflichtet werden.
Anfang der 1970er-Jahre zieht Familie Kerkeling nach Recklinghausen. Vater Heinz (Sönke Möhring) ist ständig auf Montage, deshalb muss sich Mutter Margret (Luise Heyer) meistens allein um Hans-Peter (Julius Weckauf) und seinen grossen Bruder (Jan Lindner) kümmern. Aber das familiäre Netz der Kerkelings aus Grosseltern, Onkel und Tanten ist fest geknüpft. Eierlikör und Mettigel fördern den Zusammenhalt. Schon sehr frühzeitig offenbart sich Hapes Leidenschaft für die Unterhaltungskunst. Er imitiert gern und gut TV-Ikonen, aber auch ganz normale Menschen aus seinem Umfeld. Zu seiner Lieblingslektüre zählen die Unterwäsche-Seiten der Versandhauskataloge, allerdings die für den Herren. Oma macht resolut klar, dass Hape einmal Junggeselle bleiben wird, und damit ist das Thema vom Tisch. Als der Junge bemerkt, dass es seiner Mutter gesundheitlich zunehmend schlechter geht, nutzt er sein komisches Talent, um sie aufzuheitern. Aber irgendwann vermag selbst Hape seine Mutter Margret nicht mehr zu erreichen.
Nicht jedes Detail in diesem Film entspricht der gelebten Wahrheit. So hat Hape Kerkeling natürlich noch nicht als Kind die Figur des Horst Schlämmer erfunden, wie es der Film behauptet. Caroline Links Werk ist kein Vehikel, um dem prominenten Vorbild zu huldigen, sondern die universelle Geschichte einer Kindheit mit grossen Freuden und schmerzhaften Verlusten. Der kleine Protagonist ist freilich ein sehr spezieller. Kaum zu glauben, dass dieser Julius Weckauf, während des Drehs neun Jahre alt, noch nie vor einer Kamera gestanden hat. Im liebevoll rekonstruierten 1970er-Jahre-Ambiente brilliert ein Ensemble, das auf die ganz grossen Namen weitgehend verzichtet, auch wenn die Stars für Caroline Link natürlich Schlange gestanden hätten. Punktgenau besetzte Schauspieler wie Luise Heyer als Hapes Mutter erschaffen authentische Charaktere, zu denen man sich sofort hingezogen fühlt.
Gelegenheiten zum Mitfiebern bieten sich viele in dieser Geschichte, die gekonnt zwischen Komödie und Drama balanciert. Eine interessante Beobachtung am Rande: Zumindest im Ruhrgebiet scheint sich das soziale Leben von Otto Normalverbraucher kaum von dem der Deutschen hinter dem Eisernen Vorhang unterschieden zu haben.