Der Estrich als Wunderkammer

Die Künstlerin Vera Marke verwandelt den Dachstock der Appenzeller Kirche St.Mauritius in einen Erinnerungsort.

Martin Preisser
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«Bilder kommunizieren auch untereinander», sagt die Herisauer Künstlerin Vera Marke. Bilder: Michel Canonica

«Bilder kommunizieren auch untereinander», sagt die Herisauer Künstlerin Vera Marke. Bilder: Michel Canonica

«Der Himmel hängt voller Geigen», heisst die Intervention der Ausserrhoder Künstlerin Vera Marke. Der Dachstock der Kirche St.Mauritius in Appenzell hängt aber nicht voller Geigen, sondern war vollgestopft mit einer unübersichtlichen Menge von Gegenständen aus der Geschichte der Kirche. Diese «Himmleze», wie man den Dachstock nennt, diente bis 1970 gar als Munitionslager. Vera Marke hat jetzt im Rahmen der Restauration der Kirche ein Schaulager, eine Art Wunderkammer eingerichtet.

Heiligenstatuen, Kultgegenstände, Kruzifixe, Kerzenleuchter, Bilder, Schlüssel, Tafeln, Altäre, ein Leichenwagen: Ein riesiger Fundus ausrangierter Gegenstände wird durch den künstlerischen Eingriff jetzt zu einer Art Gedächtnis der Geschichte von St.Mauritius, alter Plunder wird begehbar und steckt in diesem neuen Arrangement voller Überraschungen.

Bild: Michel Canonica
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Ein offener Blick ohne Wertung

Nur durch einen schmalen, niedrigen Eingang ist der Dachstock erreichbar, und Vera Markes düstere Wunderkammer atmet auch die Schwere und Strenge des innerrhodischen Katholizismus an diesem Ort. Einen Dachboden aufräumen, voll mit teils völlig wertlosem Gerümpel, für den sich keiner mehr interessiert, ist das Kunst? Ja, und die Künstlerin erklärt auch warum: «Für eine solche Neuordnung braucht man den künstlerischen Blick, die Erfahrung im Umgang mit Bildern und ihrer Fähigkeit, mit uns und untereinander zu kommunizieren.» Ihr professioneller Blick auf Vergessenes und Verstaubtes sei ein «Hinschauen ohne Wertung».

Es ist der offene, aber von viel ästhetischer Erfahrung gelenkte Blick, der eine solche neue Anordnung für verschiedene Betrachtungsweisen ermöglicht. Da kann sich der Kirchenhistoriker genauso zurechtfinden wie der Kunstfreund oder einfach der Gläubige, der in staunenswerte Gefilde der Geschichte seiner eigenen kirchlichen Heimat eintauchen mag.

Vera Marke hat die «Himmleze» von St.Mauritius mit einem deutlich ordnenden Sinn neu eingerichtet. Angefragt wurde sie im Rahmen der Restaurierungsarbeiten eigentlich für eine moderne Malerei in der Kirche. Stattdessen hat sie der Kirchgemeinde den Eingriff in den Dachstock vorgeschlagen.

Das Projekt gefiel und wurde gutgeheissen. Vera Marke stellt viele sich gleichende Gegenstände nebeneinander auf, so entfalten sie eine oft deutlichere, wuchtigere Wirkung. Und man merkt, dass die Künstlerin den Raum nicht einfach im Sinne einer interessanten Konservierung gestaltet hat, sondern als eine Art offenen Bilderraum.

An einer Wand steht die Statue des heiligen Antonius von Padua, eines Heiligen, den man anruft, wenn man etwas verloren, und dem man dankt, wenn man etwas wiedergefunden hat. Die Künstlerin Vera Marke sagt «Danke» für die Entdeckung eines wertvollen Bildes der Krönung Marias, das aus dem Jahre 1622 stammt und dem Feldkircher Maler Dietrich Meuss zugeordnet wird. Dass Fundstück Nr. 270 wieder seinen angestammten Platz im Hochaltar finden möge, wünscht sich die Künstlerin jetzt natürlich.

Abstauben, reinigen, restaurieren, ordnen, das ist nur ein Teil der Arbeit in der Himmleze. Vera Marke hat alle Objekte auch auf einer Website aufgelistet und in die Geschichte von St.Mauritius eingeordnet. Für sie ist die Dachbodeninstallation nicht abgeschlossen: «Es ist ein Ort, der sich verändern kann, der offen ist für weitere sakrale Fundstücke aus anderen Kapellen oder aus Privatbesitz.»

Hinweis

www.himmleze.ch