Die vier Bände der «Die Känguru-Chroniken» aus Deutschland sind längst ein Hörbuchrenner. Nun sollen sie die Leinwand erobern – dank eines dem Regisseur Dani Levy.
Mit den «Känguru-Chroniken» ist Marc-Uwe Kling vor etwas mehr als zehn Jahren ein Wurf geglückt. Der deutsche Kabarettist lässt darin sein Alter Ego auf ein sprechendes Känguru treffen. Die Dialoge sind irrwitzig bis absurd, es folgten drei weitere Bände. Besonders beliebt sind die vom Autor gelesenen Hörbücher. Eine Verfilmung war seit Oktober 2018 in Arbeit. Der Basler Dani Levy («Alles auf Zucker!») wurde als Regisseur verpflichtet. Am Telefon erzählt der 63-Jährige bereitwillig, was ihm am Film gefällt und wo ihm das Drehbuch zu holzschnittartig geraten ist.
Im Abspann danken Sie ihren Kindern für die «Infizierung mit dem Känguru-Virus». War es sehr ansteckend?
Dani Levy: Anfangs war es eher nervtötend. Vor etwa sechs Jahren, lange bevor ich mit dem Film zu tun hatte, entdeckten meine Kinder die Hörbücher. Das war auf den Berliner Schulhöfen angesagt. Sie wollten das anfänglich auch nicht mit uns teilen.
Das Känguru würde entgegnen: «Meins, deins – das sind doch bürgerliche Kategorien.»
Genau. Es war auch so, dass ich mir nicht vorstellen konnte, was meine Kinder von den Geschichten überhaupt verstanden.
Die Episoden um den strauchelnden Kleinkünstler und sein kommunistisches Känguru sind oft politisch und philosophisch.
Ja, eben. Aber die CDs liefen dennoch exzessiv bei uns zu Hause. Offenbar holt Marc-Uwe Kling mit seinen Texten alle Altersschichten ab.
Ein grosser Reiz ist die Stimme des Kängurus. War von Anfang an klar, dass Marc-Uwe Kling den Part auch im Film übernehmen wird?
Für ihn auf jeden Fall. Das war eine seiner Bedingungen, als es darum ging, wer die Filmrechte bekommt. Um es haben sich ja alle gerissen.
Was waren die anderen Bedingungen?
Kling wollte das Drehbuch selber schreiben und als Co-Produzent in alle wichtigen Entscheidungen involviert sein. Insgesamt muss man sagen: Für so einen jungen Typen (Kling ist Jahrgang 1982; d. Red.) ist das ganz schön selbstbewusst. Ich hätte mir auch vorstellen können, dass das Känguru im Film eine andere Stimme bekommt als in den Hörbüchern.
Sie hätten lieber einen Schauspieler geholt?
Ich wollte einfach die lustigste Stimme für das Känguru. Aber für die Millionen Fans muss die Stimme aus den Hörbüchern bleiben, das sehe ich genau so. Für Marc-Uwe war es aber nicht so einfach, wie er sich das vorgestellt hatte. Die Geschichten live in einem Theater vorzulesen, ist etwas anderes, als im Synchronstudio Texte auf Timing zu sprechen. Es war eine Herausforderung, die Figur mit Leben zu füllen. Andererseits haben die Synchrontermine nicht nur viel Spass gemacht, sondern den Film auch stetig verbessert.
Im Vorspann hört man den Autor sagen, er hätte sich gern selber gespielt. Stand das je zur Debatte?
Nur ganz kurz. Marc-Uwe kennt seine Fähigkeiten und hat sich da vor sich selber geschützt. Als Regisseur war ich froh, dass er das nicht ernsthaft erwogen hat. Kommt dazu: Jetzt ist er vierfacher Vater und steht auf einem ganz anderen Planeten als damals, als er Mitte zwanzig die Bücher schrieb.
Apropos Lebenssituationen: Sie selber lebten lange Jahre in Berliner WGs. Wie viel von sich haben Sie im Känguru wiederentdeckt?
Ziemlich viel. Die ganze Känguru-Welt ist etwas retro. Die Figuren und die nostalgische Anmutung von Berlin könnten von einem Autor der Frankfurter Schule kommen. Kling ist auf ungewöhnliche Weise eine «alte Seele», dessen Berlin mich sehr an die Achtzigerjahre erinnert, als ich mitten in die Hausbesetzerszene in Berlin kam.
Der Film hat einige naive Vereinfachungen: Die Nazis etwa sind dümmliche Schiessbudenfiguren. Gleichzeitig gelangen die Rechten im realen Deutschland im Anzug an die Macht.
Da haben Sie recht! Kling ist überhaupt kein psychologischer oder ausgewogener Schreiber. Seine Texte sind Politik für Kinder, sie haben etwas Plakatives. Ambivalenz gibt es in diesem Kosmos nicht. Aber das ist Teil dieser Marke, die bei den Leuten so gut ankommt.
Das klingt, als seien Sie damit nur halb glücklich.
Lustigerweise ist Marc-Uwe privat wesentlich differenzierter, als seine Art zu Schreiben. Es stimmt, manchmal ist es mir zu holzschnittartig. Aber das ist eben das, was das breite Publikum an seinen Texten liebt. Nachdem die Produzenten diesen Stil unbedingt auch im Film haben wollten, habe ich ihnen als Regisseur einfach vertraut.
Waren Ihnen die Hände gebunden?
Nein. Man hat mich geholt, um das Holzschnittartige mit interessanten Besetzungen und Wesensarten zu kontern. Ich hätte mir vorstellen können, dass man gerade in der heutigen Situation den rechten Rand der Bevölkerung etwas differenzierter und gefährlicher darstellt, aber man darf nicht vergessen, dass die «Känguru Chroniken» auch für ein junges, nicht unbedingt intellektuelles Publikum gemacht wurden. Wir haben in einen breiten Familienfilm ganz schön viel komplexe Themen und Gedanken reingebracht.
Dient die Vereinfachung dafür dem Tempo des Films?
Ja, wir mussten ja aus 30 Stunden Material 90 Minuten machen. Der Geist der Bücher ist durchaus etwas Comic-haft: Auch da ist der Bösewicht einfach nur böse. Die Figur des Jörg Dwigs hat ja keine Psychologie, das ist ein rechtes Arschloch, das aussieht wie Donald Trump – das reicht.
Auch für Sie?
Ja, natürlich. Kling und ich haben viele Monate über den Stil des Films gesprochen. Wir haben uns bewusst für das Ironische und Spielerische entschieden. Wir haben das Gefühl, das entspricht am ehesten dem Witz der Bücher. Entsprechend bin ich happy mit dem Film.
Und was sagen Ihre Kinder zum Film?
Ich gebe zu, dass ich wirklich Angst hatte, als ich die beiden zum Testscreening mitnahm. Ich habe Blut und Wasser geschwitzt, und meine ältere Tochter hatte Angst um «ihr» Känguru. Aber beide waren begeistert, und jetzt bin ich bei meinen Kindern der Held.
Also ein Happy-End?
Ja. Nun müssen wir nur noch die richtigen Rechten aufhalten. Ich bin zuversichtlich, dass wir das schaffen. Zur Not auch ohne Känguru mit Boxhandschuhen.