Das Festkonzert der St. Galler Festspiele im Dom wartete mit einem abgerundeten Fauré-Requiem und einer faszinierenden Orgelimprovisation auf.
ST. GALLEN. Ohne einen Titel zu kennen, würde man bei Maurice Ravels «Pavane pour une infante défunte» nicht ans Sterben denken. Und auch Gabriel Faurés Requiem zeigt den Tod in sanftmütiger Manier, nimmt ihm musikalisch den Schrecken. Dunklere, bedrohlichere Klangtrauben steuerte Domorganist Willibald Guggenmos bei, der in einer phantastischen Improvisation das Pavane-Thema mit Themen aus dem Requiem verknüpfte.
Am Anfang in getupften Klangsplittern nahm Guggenmos aus Ravel kleine Mosaiksteinchen, die er bisweilen leicht jazzig einfärbte. Da gab es das dunkle Grummeln, das den Schrecken des Todes ahnbar machte, aber auch fast spieluhrenartig Ziseliertes. Willibald Guggenmos beherrscht die grosse Improvisationskunst und wagt sich auch mutig in abgelegene Fantasien vor. Wie von ferne liess er mit den Fauré-Zitaten aufhorchen, zeigte sich in vielen Klangmixturen als souveräner Kenner des modernen französischen Orgelklangs. Guggenmos hatte die ganze Aufmerksamkeit des grossen Kathedralen-Publikums, als er seine Improvisation, sich ins Sphärisch-Verhallende ausweitend, beendete.
So war das Publikum bestens eingestimmt auf Faurés Requiem. Das Sinfonieorchester St. Gallen unter seinem Chef Otto Tausk gelang es aus der bewussten kompositorischen Schlichtheit hohe Grade an Intensität herauszuarbeiten. Die Tempi waren in perfektem Fluss gehalten, bei Fauré keine leichte Aufgabe. Der Gefahr, bei diesem milden, ja fast sonnigen Requiem in eine gewisse Eintönigkeit oder süssliche Gefälligkeit zu verfallen, entging diese packende Interpretation durch rhythmisch luftige Bögen und einen immer leicht schwebenden Musizierstil. Der St. Galler Bach-Chor und der Prager Philharmonische Chor, traditionell von Anna Jelmorini und Jakub Zicha bestens vorbereitet, trugen mit einem kompakten, farblich genau durchgestalteten Klang, aber auch mit einer Balance zwischen meditativ und dramatisch vorwärtsdrängend zu einem packenden Gesamtergebnis bei.
Die beiden Solisten des Requiems unterschieden sich spannend in der Herangehensweise. Andrea Lang wollte sich im «Pie Jesu» nicht dem völlig Schlichten hingegeben und gab einen genau austarierten Schuss Belcanto bei. Ruhiger und verinnerlichter gestaltete Manuel Walser seine Bariton-Soli. In wunderbar homogenen Kantilenen, mit Ruhe und praktisch kaum merkbaren Zäsuren. Seine Partien schienen kurz die Zeit anzuhalten. Sie bildeten den ersten Höhepunkt. Ein zweiter war sicher das Finale, ein «Paradisum», in dem nochmals alle Register zwischen Milde und Dramatik gezogen wurden.