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«Hexenjäger» von der Theatergruppe "Das Klima" zeigt die Mechanismen von Mobbing anhand von drei Frauenschicksalen auf.
«Das Gefühlskarussell, in dem sich von Mobbing betroffene Personen befinden, ist wahnsinnig gut inszeniert», sagte Jolanda Spiess-Hegglin am Samstagabend im Theater 111 in St.Gallen. Zusammen mit dem Premierenpublikum hatte sie sich das neue Stück «Hexenjäger» aus der Feder von Dietmar Paul von der Theatergruppe «Das Klima» angeschaut.
Dieses handelt von drei Frauenschicksalen aus verschiedenen Zeitepochen: Sie alle sind den Mechanismen von übler Nachrede und Mobbing ausgesetzt. Ein Thema, mit dem sich Jolanda Spiess-Hegglin nur zu gut auskennt. In Folge der Vorkommnisse an der Zuger Landammannfeier 2014 wurde die damalige Kantonsrätin der Grünen das Ziel einer medialen Hetzkampagne und Opfer von Internethass. Um sich dagegen zu wehren und anderen Betroffenen helfen zu können, gründete sie Netzcourage. Der Verein engagiert sich gegen Hassrede, Diskriminierung und Rassismus im Internet.
«Im vergangenen Jahr haben wir 180 Strafanträge geschrieben, 50 Verurteilungen erwirkt, 80 Vergleiche ausgehandelt, 50 Verfasser von Hassreden getroffen und mit 20 von ihnen anschliessend noch einen Kaffee getrunken», sagte Jolanda Spiess-Hegglin am Podiumsgespräch nach der Premiere. Opfern von Hassreden und Mobbing rät sie, auf möglichst viele Hasskommentare zu reagieren und diese richtigzustellen.
«Demütigungen und Fausthiebe haben dieselbe Auswirkung aufs Hirn», sagt Friederike (Eveline Ketterer) auf der Bühne. Sie steht verzweifelt und zugleich aufgebracht vor Anselmo (Tobias Stumpp), dem Vater von Rebecca. In letzter Sekunde hatte Friederike den Selbstmord ihrer Tochter Fiona verhindern können. Diese hatte versucht, sich umzubringen, nachdem Rebecca aus Eifersucht anzügliche Fotos von Fiona ins Netz gestellt hatte. Nun verlangt Friederike von Anselmo, dass Rebecca für ihre Tat büsst.
Dann wechselt die Szene innerhalb eines Augenblicks: Nun sind Eveline Ketterer und Tobias Stumpp auf einmal in den Rollen der Elsbeth Tschudi und des Gerichtsschreibers Kubli zu sehen. Boshaftigkeit und Spannung erfüllen den Saal. Es ist das Jahr 1782 und Elsbeth Tschudi beschuldigt ihre Magd Anna Göldin, ihre Tochter vergiftet zu haben. Der Gerichtsschreiber vermutet hingegen eine Hetzkampagne aufgrund einer Liebesaffäre zwischen Anna Göldi und ihrem Arbeitgeber, also Elsbeths Mann.
Im nächsten Moment weicht die Boshaftigkeit der Angst: Marlene (Eveline Ketterer) sitzt 1942 dem Sachbearbeiter für Zigeunerfragen (Tobias Stumpp) gegenüber. Ihre Eltern wurden in einem KZ ermordet, da sie der Volksgruppe der Sinti und Roma angehörten. Dasselbe Schicksal droht nun auch Marlene.
Die sich mehrmals abwechselnden Szenen der drei Geschichten, die auf wahren Begebenheiten beruhen, verlangen dem Publikum einiges ab: Kostüme und Kulisse sind in allen drei Geschichten dieselben. Nur kleine Details wie ein Landjäger oder eine Brille weisen auf den jeweiligen Handlungsstrang hin. Dennoch gelingt es den Schauspielern, das Publikum immer tiefer in das Geschehen hineinzuziehen und die drei Frauenschicksale zu einem einzigen zu verweben. Unbeantwortet lässt das Stück die Frage, woher die niederen Instinkte der Menschen kommen, über andere herzuziehen und zu lästern.
Spieldaten und weitere Podien unter www.theater111.ch